Kreuzzug für die Linken

WAHLSONNTAG Eine linke Regierung aus SPD, Grünen und Linkspartei ist möglich. Aber wo muss man sein Kreuz setzen? Strate- gisches Wählen ist keine leichte Sache

Die Wahl ist geheim. Nicht geheim ist der Wunsch nach einer linken Regierungsmehrheit in Berlin Foto: Maja Hitij/dpa/picture alliance

von Antje Lang-Lendorff

Und dann ist er da, der Tag der Entscheidung, auf den in Berlin seit Wochen alles zuläuft. Auf dem Weg ins Wahllokal wird einem ein wenig feierlich zumute, so eine Stimmabgabe ist ja doch ein bedeutendes Ritual. Und dieses Mal geht es um wirklich etwas: den Ruf Berlins als weltoffene Stadt zu retten, der AfD etwas entgegenzusetzen. Und vor allem: einem linken Bündnis an die Regierung zu verhelfen.

Laut Umfragen kommt eine Mehrheit nur mit einer Dreierkoalition zustande. Rot-Grün-Rot, das wäre neu in Berlin und könnte eine Blaupause werden auch für den Bund. Also betritt man die Wahlkabine und macht beherzt sein Kreuzchen bei … ja, wo denn eigentlich?

Bei der letzten Umfrage des ZDF-Politbarometers gut eine Woche vor der Abgeordnetenhauswahl wussten 43 Prozent der Berlinerinnen und Berliner nicht sicher, wen oder ob sie überhaupt wählen wollen. Selbst wenn man eine linke Dreierkonstellation anpeilt, ist das Ganze strategisch gesehen nicht so einfach.

Man könnte zum Beispiel sein Kreuz bei der SPD machen. Spitzenkandidat Michael Müller hat im Wahlkampf erstaunlich konsequent gegen die AfD mobilisiert. Auch beim Thema Mieten kommt die SPD inzwischen aus dem Quark. Aber will man tatsächlich eine Partei unterstützen, die seit 1989 mit an der Macht ist und dabei einiges verbockt hat, nicht zuletzt den BER? Außerdem hat Müller eine Koalition mit der CDU nicht komplett ausgeschlossen. Falls die Umfragen grob danebenliegen, bliebe ein Restrisiko.

Anders die Grünen: Die haben sich festgelegt, nicht mit der CDU zu regieren. Und sie waren über viele Jahre eine engagierte Opposition, sie haben sich eine Regierungsbeteiligung verdient, könnte man sagen. Mit ihnen dürfte der Radverkehr eine gewisse Beschleunigung erfahren. Allerdings zieht voraussichtlich auch die FDP wieder ins Parlament ein. Schon möglich, dass die Grünen für eine Ampelkoalition zur Verfügung stünden.

Es geht um was: den Ruf Berlins als welt­offene Stadt zu retten

Dann gibt es noch die Linkspartei. Die steht nicht in Verdacht, mit der FDP oder der CDU zu liebäugeln. Sie hat jedoch in den Regierungsjahren von 2002 bis 2011 nur bedingt eine linke Politik durchgesetzt. Es gab den öffentlichen Beschäftigungssektor, die Gemeinschaftsschule. Doch die Linken haben gemeinsam mit der SPD auch die öffentliche Verwaltung zusammengestrichen; im BER-Aufsichtsrat saß ebenfalls ein Linker. Will man sie dafür belohnen?

Und dann sind da außerdem durchaus sympathische Gruppen wie die Piraten, die Bergpartei oder die Satiriker von Die Partei. Im Parlament allerdings könnten deren Stimmen SPD, Grünen und Linken für eine komfortable Mehrheit fehlen.

Taktisch wählen ist also eine komplizierte Sache, am Ende entscheidet das Bauchgefühl. Nur eins steht fest: Gar nicht zur Wahl zu gehen hilft den Rechtspopulisten. Also, raus aus den Wohnungen, ran an die Kugelschreiber!

Zwei Plädoyers für Rot-Grün-Rot. Und was wählen Prominente? SEITE 44–45