Longlist des Deutschen Buchpreises: Trend zur Midlife-Krisen-Literatur

Der Vorauswahl fehlen Komik und Spielfreude. Migrantische Autoren spielen keine tragende Rolle. Und zwei wichtige Namen fehlen ganz.

Ein Bücherstapel

Hinter den Listen des Deutschen Buchpreises steckt jede Menge Aufmerksamkeitsmacht Foto: dpa

BERLIN taz | Manche befürchten es, manche setzen auch drauf: dass die Listen des Deutschen Buchpreises die Debatte um die deutschsprachige Gegenwartsliteratur vorstrukturieren wird, bis zum Höhepunkt der Verleihung am Vorabend der Frankfurter Buchmesse. Es steckt einfach eine Menge Aufmerksamkeitsmacht dahinter. Aber inzwischen hat sich das Verfahren eingespielt, und selbstverständlich werden die Literaturredaktionen dieses Landes eigene Akzente setzen. Und ebenso selbstverständlich kommt es immer auch auf die Kraft der Listen an.

Die nun bekannt gegebene Longlist, die zwanzig Titel umfasst, hat die Kraft, ein paar Neuerscheinungen mit einem kräftigen Schub zu versehen. Auf Thomas Melles Selbstentblößungsroman „Die Welt im Rücken“ werden sich nun alle noch mehr stürzen, als sie es eh schon getan hätten; es wäre ganz falsch, dieses Buch auf das Thema der bipolaren Störung zu reduzieren. Und möglicherweise wird die Liste Gerhard Falkners wilden Epochenroman „Apollokalypse“ bis in die Höhen zumindest eines Geheimfavoriten hieven; schön wäre es auf alle Fälle. Beide Romane kommen in den nächsten Tagen zeitlich gut passend heraus.

Bei den bereits seit längerem im Handel befindlichen Romanen gibt es einige, die nun noch einmal die Chance bekommen, mit einigem Abstand angesehen zu werden: Hans Platzgumers „Am Rand“ etwa, Eva Schmidts „Ein langes Jahr“. Und ganz großartig ist es, dass „Joachim Meyerhoff mit „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ auf der Liste steht. Meyerhoffs Erzählprojekt ist zwar bei den Lesern längst angekommen; die Kritik hat es allerdings bislang noch nicht unter den richtig guten Büchern eingepreist, unter die es gehört. Und an Sibylle Lewitscharoffs Dante-Roman „Das Pfingstwunder“, der auf der Liste steht, kommt eh niemand vorbei. Im Unterschied übrigens zu Martin Mosebachs Roman „Mogador“, der in diesen Tagen viel besprochen wird.

Viele alte Bekannte

Zwei Namen fehlen. Christian Kracht und Frank Schulz. Bei Frank Schulz, der wieder einen „Onno Viets“ vorlegt, ist das richtig bedauerlich; sowieso strotzt die Longlist nicht gerade vor Komik und der reinen Literaturlust an der Spielfreude; sie ist auch, verkürzt gesagt, ziemlich nichtmigrantisch. Dafür sind – Peter Stamm, Michael Kumpfmüller, Katja Lange-Müller – viele Romanfiguren darunter, die sich mitten in oder auch nach einer persönlichen Krise befinden. Da die Liste zudem – Bodo Kirchhoff, Arnold Stadler, Ernst-Wilhelm Händler – eher mit alten Bekannten auffällt, als neue Stimmen ins Spiel zu bringen, könnte man einen Trend zur Midlife-Krisen-Literatur ausmachen. Die Figuren haben etwas hinter sich, denken über ihr Leben nach und versuchen, es neu zusammenzusetzen.

Zwei Namen gibt es, deren neue Bücher man sich wegen der Longlist besonders intensiv ansieht: Akos Doma und die Debütantin Michelle Steinbeck. Der zweite Debütant, Philipp Winkler, wäre aber auch ohne die Liste in diesem Herbst groß rausgekommen. Sein Roman „Hool“ ist ein tolles Buch. Am 20. September kommt die Shortlist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.