: Erstaunlich undogmatisch gehandelt
Kommentar
von Susanne Memarnia
Lösung für die Ohlauer Straße
Es ist ein alter Hut, dass PolitikerInnen weniger an praktischen Lösungen interessiert zu sein scheinen als daran, dem politischen Gegner eins auszuwischen. Auch Rot-Schwarz lehnt Vorschläge von Linken und Grünen gewohnheitsmäßig und aus Prinzip ab. Teilweise – wie beim Landesamt für Flüchtlinge – bringt es sie später als eigene Idee wieder aufs Tapet.
Ein klassisches Beispiel für solche Scheuklappen-Politik konnte man kürzlich am Beispiel Ohlauer Straße beobachten: Da ließ die CDU-Fraktion ihren eigenen Senator lieber bei der Suche nach Flüchtlingsunterkünften im Regen stehen, als Geld für ein Heim zu genehmigen, das dem grün regierten Friedrichshain-Kreuzberg zugutekommt. War den Herren und Damen doch schnuppe, dass sie den Menschen damit schadeten, den Flüchtlingen, die nicht aus den Turnhallen rauskommen, sowie jenen, die sonst diese Hallen benutzen.
Ein Gewinn für alle
Umso erfreulicher, wenn PolitikerInnen dann mal undogmatisch „um der Sache willen“ handeln. Zwar ist das Angebot der grünen Bürgermeisterin Monika Herrmann an CDU-Senator Mario Czaja, das Heim Ohlauer Straße bis Jahresende mietfrei zu nutzen, nicht nur uneigennützig: Der Bezirk will seine Turnhallen zurückhaben. Und er will, um die vielen ehrenamtlichen HelferInnen, die sich um Sprachkurse, Kita- und Schulplätze bemühen, nicht vor den Kopf zu stoßen, die Flüchtlinge möglichst im Bezirk halten. Aber das schmälert nicht den Wert von Herrmanns Offerte, die für alle Beteiligten einen Gewinn darstellt.
Schade nur, dass Czaja nicht die Größe hat, den Deal offensiv zu vertreten und sich – Gott behüte – bei Herrmann zu bedanken. Erst auf mehrfache Nachfrage der taz war seine Sprecherin bereit, das Angebot des Bezirks zu bestätigen. Dabei präsentiert sich Czaja sonst gern als Macher, der allein das Wohl der Menschen im Auge hat. Aber jetzt ist halt Wahlkampf. Da müssen wir am Ende noch Czaja danken, dass er Herrmanns Angebot überhaupt angenommen hat.
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