Dominic Johnson über die Wahlschlappe des ANC: Südafrikas neuer Regenbogen
Seit dem Ende der Apartheid warten Südafrika-Beobachter auf den Tag, an dem Nelson Mandelas ANC (Afrikanischer Nationalkongress) seinen Nimbus als natürliche Alleinvertretung der schwarzen Mehrheitsbevölkerung einbüßt. Nun, nach einer Generation, ist es so weit – der ANC hat bei den Kommunalwahlen in allen großen Städten die Mehrheit verloren. Die Wählerinnen und Wähler haben sich von der blinden Loyalität zu ihren alten Befreiern emanzipiert.
Jetzt brechen spannende Zeiten an. Sowohl rechts als auch links vom ANC gibt es plötzlich eine starke Opposition: die wirtschaftsliberale DA (Demokratic Alliance) und die linkspopulistische EFF (Economic Freedom Fighters). Um den ANC tatsächlich von der Macht in den Metropolen zu verdrängen, müssen diese beiden Kräfte nun zusammenarbeiten, obwohl sie politisch alles trennt: die EFF als linksradikale Jugendbewegung der Townships, die DA als Erbe des weißen Liberalismus. Genauso gut könnte in Deutschland die Linke eine Koalition mit der FDP suchen, um die Große Koalition abzulösen.
Das Faszinierende an Südafrika ist, dass eine solche Konstellation jetzt zumindest in den großen Städten mehrheitsfähig ist – und dass sie vom Ansatz her dem alten Anspruch der Anti-Apartheid-Kämpfer, Südafrikas Vielfalt als Regenbogennation zu respektieren, eher entspricht als die ideenlose und arrogante Apparatspolitik des ANC unter ihrem glücklosen Präsidenten Jacob Zuma.
Der friedliche Übergang von Apartheid zu Demokratie galt einst als unmöglich, aber er gelang. Nun steht der friedliche Übergang vom Herrschaftsmonopol einer Befreiungsbewegung zum Pluralismus an. Auch das halten viele angesichts der schlechten Erfahrungen anderer afrikanischer Länder für unmöglich.
Südafrika könnte wieder einmal Vorreiter spielen – vorausgesetzt, seine politischen Führer bringen den Mut auf. Den Auftrag der Wähler haben sie jedenfalls.
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