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Gestählt in Schweden

Rechtsextremismus In der Abgeschiedenheit Südschwedens richtet die rechte Splittergruppe „Sturmvogel“ für Kinder und Jugendliche ein Sommerlager aus

von andrea Röpke und Andreas Speit

HAMBURG taz | Beim Morgenappell stehen die Mädchen und Jungen in ihren grünen Uniformen stramm. Selbstverständlich nach Geschlechtern getrennt. Deutsche Lieder singend, ziehen sie im späteren Tagesverlauf durch die Natur. Immer dabei eine Fahne: ein schwarzer Vogel auf weiß-rotem Grund. Seit einer Woche richtet der rechte „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ in der schwedischen Kommune Markaryd sein Sommerlager aus.

Das Camp liegt in einer idyllischen Region. Nur wenige Menschen leben hier. Dafür gibt es unzählige Seen und Wälder. Auch viele Deutsche haben hier kleine Häuser gekauft. Die Ruhe und das Untersichsein kommt den „Sturmvögeln“ um ihre Bundesspitze, Dietlind B. und Michael Z., sehr entgegen. Laut ihrem Gründungsflugblatt wollen sie mit ihrer Jugendarbeit ein „Vorleben“ vermitteln, das gegen den „Ungeist“ aufbegehrt, „der unser Volk derzeit jeden Atemzug verpestet“. Sie positionieren sich als „volkstreu eingestellte Deutsche“.

Mit der Fähre Rostock–Trelleborg reisten die rund 40 Teilnehmer in Begleitung von einigen Betreuern aus Thüringen und Hessen nach Südschweden. Am Fähranleger wunderte sich eine türkische Familie über die altmodisch gekleidete Gruppe mit Armeerucksäcken.

Der „Sturmvogel“ entstand aus der militanten „Wiking Jugend“ (WJ). „Er ist eine radikale Abspaltung“, sagt Gideon Botsch vom Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam, der zur sogenannten bündischen Jugend forscht. 1987 gründete sich die Gruppe nach einem internen Streit. Ex-WJ-Bundesfahrtenführer Rudi Wittig wurde erster Bundesführer des „Sturmvogels“. Nur wenige Jahre später verbot das Bundesinnenministerium die WJ – der „Sturmvogel“ blieb davon unberührt.

Nach dem Verbot der Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) 2009 befürchteten Rechtsextremismusexperten, dass die „Sturmvögel“ deren rechte Jugendarbeit weiterführen könnten. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zu rechtsextremen Verstrickungen des „Sturmvogels“ fiel Ende Dezember 2015 jedoch recht knapp aus: zu der Gruppierung lägen „keine hinreichend gewichtigen Erkenntnisse für rechtsextreme Bestrebungen vor“.

Die „Sturmvögel“ positionieren sich als „volkstreu ein­gestellte Deutsche“

In Brandenburg antwortete die Landesregierung indes auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion im Januar 2016, dass „vereinzelte Hinweise auf Zusammenhänge zu sonstigen rechtsextremen Organisationen“ vorlägen, wie zur NPD und zur verbotenen HDJ. Zu den „Sturmvogel“-Lagern schicken auch NPD-Familien, rechte Siedler und Holocaustleugner ihre Kinder.

„Die Bedeutung von solchen Gruppen und ihren Schulungen darf nicht unterschätzt werden“, betont Botsch. Ihre antidemokratischen Erziehungsideale hätten eine nachhaltige Wirkung. „Viele Kader der NPD wurden in Gruppen wie der WJ politisiert und sozialisiert“, hebt er hervor. Auch der „Sturmvogel“ liefere eine „umfassende Schulung, die eine ideologische Festigung nach sich zieht“.

An diesem Wochenende geht es für die Gruppe mit der Fähre zurück nach Deutschland: geschult und gestählt.

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