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„Erfolg nur durch Blutvergießen“

USA Der Polizistenmörder von Baton Rouge verstand sich offenbar als Revolutionär. In sozialen Medien mahnte er, friedliche Proteste reichten nicht aus. Gegen Polizeigewalt müsse zurückgeschlagen werden. Unter den drei Getöteten war auch ein Schwarzer

Von Frank Herrmann

CLEVELAND taz | Gavin Long war ein Philosoph der Gewalt. Im Internet schwang er militante Reden, unter dem Pseudonym „Cosmo Setepenra“ beklagte er sich immer wieder über Polizeigewalt. Bis er dann am Sonntag loszog, um in Baton Rouge Polizisten zu erschießen.

Auf YouTube spottete er über die Demonstrationen der #BlackLivesMatter-Bewegung nach dem Tod Alton Sterlins in Baton Rouge. Mit friedlichem Protest erreiche man nichts, „hundert Prozent aller Revolutionen, wenn sich Opfer gegen ihre Unterdrücker auflehnen, hatten Erfolg, indem zurückgeschlagen wurde, durch Blutvergießen“. Einfach nur zu protestieren, predigte Long, habe in keinem Fall zum Erfolg geführt. „Du musst zurückschlagen. Das ist der einzige Weg, um einen Tyrannen in die Schranken zu weisen.“

Long, der in Kansas City im Bundesstaat Missouri lebt, war in Baton Rouge, um seinen Geburtstag zu feiern. Just am Tag seiner Bluttat wurde er 29 Jahre alt. Mit Schüssen aus seinem Schnellfeuergewehr tötete er am Sonntagmorgen drei Polizisten und verletzte drei weitere zum Teil schwer, bevor er selber von Polizisten erschossen wurde. Entgegen ersten Meldungen, in denen von Komplizen die Rede war, geht die Polizei inzwischen davon aus, dass er allein auf eigene Faust handelte.

So wie Micah Johnson, der zehn Tage zuvor am Rande einer Demonstration im texanischen Dallas gezielt Beamte ins Visier nahm. Während Johnson indes ausschließlich auf weiße Ordnungshüter anlegte, trafen Longs Kugeln auch einen Schwarzen, den 32 Jahre alten Montrell Jacksons. Der hatte in einem Facebook-Eintrag erst vor Kurzem eindringlich geschildert, wie er sich als Schwarzer fühlt, der bei der Polizei in Baton Rouge arbeitet. „Ich liebe diese Stadt, aber ich frage mich, ob diese Stadt mich liebt“, schrieb Jackson. „In Uniform bekomme ich hasserfüllte Blicke, und ohne Uniform sehen mich manche als Bedrohung an.“ Dennoch habe er die Hoffnung, dass es besser werde.

Was man bisher über Gavin Long weiß, lässt auf einen ehemaligen Soldaten schließen, der mit schweren psychischen Problemen zu kämpfen hatte. Im Internet bezeichnete er sich mal als spirituellen Berater, mal als Diätlehrer, mal als Lebenstrainer. Und in einem Video-Statement, das wohl als Abschiedsbotschaft verstanden werden darf, ließ er wissen, er sei einst Mitglied der „Nation of Islam“ gewesen, einer Organisation des radikalen Predigers Louis Farrakhan. Man möge ihn aber weder damit noch mit einem Terrornetzwerk in Verbindung bringen, er sei allein dem „Geist der Gerechtigkeit“ verpflichtet.

Ob Long mit posttraumatischen Belastungsstörungen aus dem Krieg im Irak zurückkehrte, ist bisher nicht bekannt. Von Juni 2008 bis Januar 2009 war er im Zweistromland stationiert. Fünf Jahre lang hatte er als Spezialist für Datennetzwerke bei der Marineinfanterie gedient, 2010 wurde er im Range eines Sergeanten in Ehren entlassen. Seine von ihm geschiedene Frau soll in Kürze vernommen werden, von ihr erhoffen sich die Ermittler neue Erkenntnisse bei ihrer Suche nach einem Motiv.

Worüber nicht weiter gerätselt werden muss, ist die Tatsache, dass die ohnehin schon angespannte politische Atmosphäre in den USA sich noch weiter auflädt. In Cleveland tagen seit Montag die Republikaner, um Donald Trump offiziell ins Rennen ums Weiße Haus, ins Duell gegen Hillary Clinton, zu schicken. Kaum waren die Nachrichten aus Baton Rouge über die Ticker gelaufen, schlug der Immobilienmogul auch schon den Bogen zur globalen Auseinandersetzung mit dem islamistischen Terror, einmal mehr im auffälligen Kontrast zum Präsidenten Barack Obama, der die Wogen zu glätten versucht.

„Ich liebe diese Stadt, aber ob diese Stadt mich liebt?“

Montrell Jackson, getöteter Polizist

„Wir versuchen, gegen den IS zu siegen, und nun morden unsere eigenen Leute unsere Polizei. Unser Land ist gespalten und außer Kontrolle. Die Welt beobachtet uns“, twitterte er. Der Konvent, den er zu zelebrieren gedenkt wie eine Krönungsmesse, dürfte nun noch markanter im Zeichen von „Law and Order“ stehen. Am Montag, dem ersten offiziellen Tag der Convention, blieb es zunächst ruhig auf den Straßen von Cleveland. Das aber könnte sich ändern.

In einer Kirche in Cleveland versammelten sich am Sonntag Mitglieder der Black-Power-Bewegung, unter ihnen der Rechtsanwalt Malik Zulu Shabbaz, der einst die New Black Panther Party anführte. Das ist eine militante Organisation schwarzer Amerikaner, der Bürgerrechtler Rassismus und Antisemitismus vorwerfen. Shabbaz sagte, die Situation in den USA erinnere ihn an tektonische Platten, die sich immer stärker aneinander rieben. Trump verstärke den Druck auf die Platten. Und deswegen werde es immer neue Erdbeben geben.

Meinung + Diskussion SEITE 12

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