: Rechtsmediziner spricht von einem qualvollen Tod
JUSTIZ Bericht über Ergebnisse der Obduktion im Prozess um den Mord an Mohamed und Elias
Michael Tsokos ist nicht irgendein Rechtsmediziner. Das beweist er wieder vor dem Landgericht Potsdam im Prozess gegen Silvio S., den 33-jährigen mutmaßlichen Mörder von Elias und Mohamed.
Am Dienstag berichtet Tsokos vor Gericht, wie er, um die Todesursache von Elias genauer aufzuklären, einen ebenfalls zierlichen Sechsjährigen in sein Institut bat und ihm so ein Utensil anlegte, mit dem auch Elias kurz vor seinem Tod in Berührung gekommen sein muss: eine Halswirbelsäulenschiene, die die Bewegungsfreiheit des Kopfes stark einschränkt – und die die Ohrläppchen hochschiebt. „Das ist nicht angenehm“, habe ihm sein Proband geschildert.
In Kombination mit der ebenfalls gefundenen Ledermaske, die verhinderte, dass das Kind seinen Mund schließen konnte, muss es noch schlimmer gewesen sein. „Aber daran erstickt man nicht“, erklärt Tsokos. Der Täter muss den Rachenraum des Kindes komplett verlegt haben. Ein vielleicht nicht von vornherein beabsichtigter, in jedem Fall aber qualvoller Tod. Es sei denn, Silvio S. hatte auch bei seinem ersten Opfer Chloroform benutzt, wie er es bei der Polizei für die Ermordung von Mohamed angegeben hat.
„War es denn so, Angeklagter?“, fragt der Staatsanwalt in Richtung von Silvio S. Der sitzt gequält auf seinem Platz, starrt auf die Tischplatte, während eine Gerichtsbiologin von den Kabelbindern berichtet, mit denen Mohamed gefesselt worden war, und vom Panzertape, das die Beine von Elias fixiert hatte. Er presst seine Hände in den Nacken und an die Ohren, er ringt mit den Händen, nachdem Tsokos berichtet, warum Elias von S. vergewaltigt worden sein muss.
Anhand des verdauten Nussjoghurts, den Elias noch zu Hause gegessen hatte, konkretisiert der Rechtsmediziner dessen Todeszeitpunkt auf zwischen Mitternacht und Nachmittag des 8. Juli 2015: „Es sei denn, er hat ihm den gleichen Joghurt noch mal gegeben.“
Doch all das weiß nur der Angeklagte, dem permanent Brücken gebaut werden – vom psychiatrischen Gutachter und vom Vorsitzenden Richter. Der sagt nicht zum ersten Mal, S. könne gern etwas zu seiner Entlastung vortragen und mit der Wahrheit den Eltern bei ihrer Trauer helfen.
Der Angeklagte will reden, das spürt man. Und man spürt, dass seine Anwälte das nicht zulassen wollen.
Ein Urteil wird Ende des Monats erwartet. Uta Eisenhardt
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