Erich Rathfelder über den Jahrestag und das Gedenken zu Srebrenica: Verständigung weit entfernt
Auch am 21. Jahrestags des Massenmords von Srebrenica werden wieder Hunderte Überreste der über 8.000 Opfer, die in Massengräbern gefunden und deren Identität nach komplizierten DNA-Analysen festgestellt wurden, begraben. Und auch diesmal werden Zehntausende von Menschen nach Srebrenica kommen, um an der Gedenkstätte Potočari ihre Trauer auszudrücken.
Doch die Trauerfeierlichkeiten in Srebrenica als eines der wichtigsten Orte des systematischen Massenmordes an der bosniakisch-muslimischen Bevölkerung Bosnien und Herzegowinas während des Krieges 1992–95 sind weit entfernt davon, zu einem Symbol der Verständigung zwischen den Volksgruppen zu werden. Indem serbische Nationalisten weiterhin falsche Zahlen über serbische Opfer in der Region in Umlauf bringen, um sich mit einer Gegenrechnung zu entlasten, wird böses Blut erzeugt. Doch weil auch manche bosniakischen Politiker Srebrenica nutzen, um ihrerseits Serben pauschal als Mördervolk abzustempeln, werden die Gräben auch von dieser Seite weiterhin vertieft.
Immerhin haben manche serbischen Politiker nach Druck aus der EU inzwischen Srebrenica besucht. Wirklicher Gradmesser für den Stand der Verständigung ist jedoch, dass nach 20 Jahren nur ein einziger serbischer Jugendlicher aus der Nachbarschaft zur Gedenkstätte in Potočari gekommen ist.
Nähmen die Politiker beider Seiten ihre Verantwortung für die Zukunft des Landes ernst, müsste über alle Verbrechen öffentlich diskutiert werden. Immerhin ist jetzt Sarajevo einen Schritt vorangegangen. Der muslimische Spitzenpolitiker Bakir Izetbegovićbesuchte kürzlich erstmals Orte, in denen während des Krieges Serben in der Stadt durch Bosniaken ermordet worden sind. Jede Region und Volksgruppe hat ihr – unterschiedlich großes – Päckchen zu tragen. Wenn Schulklassen die Orte der Schrecken besuchen dürften, wäre ein Fortschritt erreicht.
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