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Für Makler wäre das ein prima Geschäft

Finanzplatz Schon schießen die Spekulationen ins Kraut, dass Frankfurt London als Standort ablöst

„Schon ein geringer Zuzug wird die Mietpreise hochtreiben“

Rolf Janßen, Mieterverein

FRANKFURT/M. taz | Obwohl niemand mit dem Ergebnis gerechnet hat, könnten sich einige wenige doch darüber freuen, meint Christian Lanfer, Leiter des Vermietungsgeschäfts des Maklerhauses JLL in Frankfurt am Main. Die Rechnung dabei ist simpel. London könnte als Standort an Attraktivität verlieren, wenn der Zugang zu der EU als größter Wirtschaftszone der Welt nicht mehr oder nur eingeschränkt gewährleistet wäre.

Trotz Konkurrenz aus Paris oder Dublin wäre Frankfurt ein denkbarer Standort. Schon jetzt ist die Stadt nach London Europas größter Finanzplatz. Zudem sitzen wichtige Institutionen wie die Europäische Zentralbank und die Versicherungsaufsicht Eiopa (European Insurance and Occupational Pensions Authority) in Frankfurt.

„Der Finanzsektor in London hat nach Schätzungen etwa 400.000 bis 700.000 Mitarbeiter. Kommt nur ein Prozent davon nach Frankfurt, wären das zwischen 4.000 und 7000 neue Beschäftigte“, schätzt Makler Lanfer. Auch eine Studie der Immobilienfirma Colliers teilt diese Einschätzung: „Aufgrund des hohen Arbeitskräftepotenzials in London, wo mehr als fünfmal so viele Beschäftigte in der Finanzbranche tätig sind, würden sich selbst geringfügige Verschiebungen auf dem Frankfurter Markt bemerkbar machen“, so der Report. Für die Makler verhieße das ein gutes Geschäft: „Da könnten 100.000 Quadratmeter mehr an Bürofläche nachgefragt werden“, sagt Makler Lanfer.

Wer in Frankfurt arbeitet, muss natürlich auch irgendwo leben. Ein Problem im ohnehin schon sehr angespannten Wohnungsmarkt in Frankfurt. „Schon ein relativ geringer Zuzug wird die Mietpreise hochtreiben“, warnt Rolf Janßen, Geschäftsführer des Frankfurter Mietervereins. Er rechnet damit, dass mindestens 10.000 Beschäftigte aus der Banken- und Versicherungsbranche nach Frankfurt kommen könnten: „Die können sich natürlich hochpreisige Mieten leisten.“ Zudem bekämen sie oftmals von ihren Arbeitgebern Wohnzuschüsse. „Aktuell sind die Mieten in Frankfurt so hoch, dass bei vielen die Hälfte des Einkommens dafür draufgeht“, so Janßen.

Im Ostend, wo sich die EZB niedergelassen hat, klagen Mieterinitiativen jetzt schon über Verdrängung. Das ehemalige Arbeiterviertel hat sich seit Eröffnung der EZB zum durchgestylten Quartier mit Burgerrestaurants gewandelt. Sogar die Immobilienmakler von Col­liers warnen: „Der Wohnungsmarkt Frankfurt, der bereits jetzt an der Kapazitätsgrenze angekommen ist, könnte eine hohe Anzahl zusätzlicher Einwohner kaum kompensieren.“

Der geplante Zusammenschluss der Deutschen Börse und der London Stock Exchange könnte eine zusätzliche Belastung bringen. Nicht zuletzt deshalb, weil auch die Stimmen derer lauter werden, die den Hauptsitz jetzt in Frankfurt sehen und nicht, wie geplant, in London. Auch die Betriebsratsvorsitzende der Deutschen Börse, Jutta Stuhlfauth, forderte unmissverständlich: „Der Hauptsitz muss nach Frankfurt.“ Alina Leimbach

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