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Gegen den Opernstrom

Staatsoper Donnerstag wird der Bericht des Untersuchungsausschusses Staatsoper im Parlament beraten. Linke, Grüne und Piraten nennen Verantwortliche beim Namen

Problemfall: Die sogenannte „Nachhallgalerie“ ist laut Opposition nicht auf Wirtschaftlichkeit untersucht worden Foto: Christian von Steffelin

von Rolf Lautenschläger

Genau 628 Seiten stark ist der gesamte „Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses Staatsoper Unter den Linden“. Wolfgang Brauer, kulturpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion und Vorsitzender des Ausschusses, hat das dicke Buch vor sich auf dem Tisch im Abgeordnetenhaus liegen. „Der Ursprungsbericht darin umfasst 211 Seiten. Die weiteren über 400 Seiten beinhalten die drei Sondervoten der Oppositionsparteien“, sagt Brauer, der zum Pressetermin am Dienstag geladen hat, um die Sicht der Linken in dem Bericht auf das Staatsoper-Debakel zu erläutern.

Warum Brauer und die Linke, neben den Grünen und der Piratenpartei, sich zum Ergebnis des Untersuchungsausschusses „so umfangreich und ergänzend erklärt haben“, hat seinen Grund: „Wir hätten uns arrangieren können. Aber die Regierungskoalition aus SPD und CDU hat mit ihrer Mehrheit im Ausschuss und mit über 100 Änderungsanträgen die Aufklärung perforiert.“ Aber „um alle Aspekte der desaströsen Planung zur Sprache zu bringen“, seien quasi diese Mammut-Sonderberichte nötig gewesen, so die Sicht des Ausschussvorsitzenden.

Dass im 211 Seiten starken Originalbericht „wesentliche Ergebnisse der Beweisaufnahme ausgelassen wurden“, interpretiert Brauer auch als parteipolitisches Kalkül von SPD und CDU angesichts des beginnenden Wahlkampfs. Das ficht ihn aber nur zum Teil an. Dafür könnte man in der Debatte zur Staatsoper am morgigen Donnerstag ja die Regierungskoalition in die Zange nehmen.

Staatsoper: Was nicht geschah

Günstigere Lösung 1: Mitte 2008 erhielt der von einer Jury prämierte Entwurf des Architekten Klaus Roth den Zuschlag. Roth sah den Abriss und eine moderne Neugestaltung des Zuschauerraums vor. Kosten: unter 230 Millionen Euro. Nach Protesten entschied Klaus Wowereit aber, dass der neobarocke Bau saniert werden sollte.

Günstigere Lösung 2: Seit Juni 2010 ist die Staatsoper wegen Modernisierungsarbeiten in der Straße Unter den Linden geschlossen. Seither und bis zur geplanten Wiedereröffnung im Herbst 2017 – statt des anvisierten Termins 2013 – nutzt die Staatsoper mit großem Erfolg das Schillertheater in Charlottenburg. Warum nicht weiter so? (rola)

In der Tat könnte dies die Stunde der Opposition werden. Denn das Thema beinhaltet reichlich Wahlkampfstoff. Nach fast einem Jahr Beratung, 16 Sitzungen und der Befragung von 33 Zeugen liegen jetzt in den Sondervoten das Baudebakel, die Beweise für die Kostenerhöhung von 239 auf fast 400 Millionen Euro, die Verschiebung der Eröffnung von 2013 auf 2017 schwarz auf weiß dokumentiert vor. Darin nennen nicht nur die Linken Namen und Anschriften der politisch Verantwortlichen wie den damaligen Regierenden Klaus Wowereit, seinen Staatssekretär André Schmitz oder die Bau- und Kulturverwaltung als Kostentreiber und Schuldige einer wirren Planung sowie der Terminverzögerungen.

Während die Koalitionäre die „unvorhersehbaren“ Probleme hauptsächlich im sumpfigen Baugrund, den „üblichen“ Risiken des maroden Altbaus und bei den engen Terminvorgaben sehen – „so gelang es nicht“, heißt es auf Seite 155, „diesem komplexen Bauvorhaben aufgrund eines vorgegebenen Eröffnungstermins den nötigen Planungsvorlauf zu verschaffen. Hinzu kamen unvorhersehbare Probleme mit der Bausubstanz und dem Baugrund, die alle Beteiligten überraschten“ –, greift der Sonderbericht der Linken die ganze Fehlerpalette von Beginn an auf: Ursprünglich hatte der Architekt Klaus Roth den Wettbewerb für einen modernen Zuschauersaal 2008 gewonnen. Klaus Wowereit kippte eigenmächtig dieses Projekt und ordnete eine Neuplanung an.

Nach Zeugenaussagen seien die Bauplanungsunterlagen erst nach Baubeginn fertiggestellt worden. Der Denkmalschutz wurde nur unzureichend eingebunden. Weil die Bauverwaltung den enormen organisatorischen und bautechnischen Herausforderungen nicht gewachsen war, habe ein Controlling versagt. Das Millionen Euro teure unterirdische Tunnelbauwerk zwischen Opernhaus und Intendanz oder die „Nachhallgalerie“ seien auf die jeweilige Wirtschaftlichkeit gar nicht untersucht worden, so die Beweislage. Brauer: „Man ist sehenden Auges in die Katastrophe gelaufen.“ Das Projekt hätte so niemals genehmigt werden dürfen.

Dies könnte die Stunde der Opposition werden. Denn das Thema beinhaltet Wahlkampfstoff

Unterstützung erhalten die Linken von Grünen und Piraten: Kernaussagen des Koalitionsberichts seien „in wesentlichen Aussagen extrem verändert“ und vertuscht worden, wie Sabine Bangert (Grüne) moniert. Statt in der „kollektiven Verantwortungslosigkeit“ von Senat und Verwaltung werde der Grund für den Skandal unter anderem in der überraschend maroden Bausubstanz des Gebäudes gesucht.

Aber man hat auch etwas für die Zukunft zur Hand: Bestandteile des Sondervotums seien „Handlungsempfehlungen“ zur Planung und Kontrolle künftiger Großbauprojekte, so Brauer und Bangert. Und die Großprojekte warten schon: Sanierung ICC und Komische Oper oder Renovierung des Märkischen Museums. Millionen sind im Spiel.

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