piwik no script img

Keine Versöhnung im Ramadan

Migration Nach der Armenier-Resolution schwelt der Streit weiter. Nun wurde auch die Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz von einem Fastenbrechen wieder ausgeladen

von Daniel Bax

Eigentlich ist der Ramadan ein Monat der Versöhnung. Doch in diesem Jahr wird er zumindest in vielen türkischen Gemeinden vom Streit über die Armenien-Resolution überschattet.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, wurde in dieser Woche kurzfristig von einem gemeinsamen Fastenbrechen ausgeladen, zu dem sie die Türkisch-Islamische Union (Ditib) im April eingeladen hatte. Einen Tag vor dem für Donnerstag in Hamburg geplanten Essen schrieb der Vorsitzende von Ditib-Nord, Sedat Şimşek, seit einigen Tagen tauchten in der Gemeinde viele Muslime auf, die nicht zu den regelmäßigen Gemeindebesuchern gehörten, „aber die Atmosphäre ständig aufwiegeln“. In seinem Schreiben an die Staatsministerin heißt es: „Aufgrund dieser Situation und wegen erheblicher Sicherheitsbedenken bitten wir um Ihr Verständnis, und bitten Sie, bei unserem heutigen Iftar-Empfang nicht teilzunehmen.“

Özoğuz hatte Drohungen erhalten, weil sie im Bundestag für die Resolution gestimmt hatte, die die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor gut 100 Jahren als Völkermord bezeichnet. Wie für alle anderen türkeistämmigen Abgeordneten des Bundestages, wurde der Polizeischutz für sie deswegen erhöht. Bereits in der vergangenen Woche hatte die Berliner Şehitlik-Moschee , die ebenfalls dem Ditib-Dachverband angehört, ein Ramadan-Fastenbrechen mit dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) abgesagt, nachdem türkische Nationalisten im Internet Proteste angedroht hatten.

„Mit meiner Ausladung hat Ditib eine Chance vertan, klar Stellung gegen Extremisten zu beziehen“, kommentierte die Staatsministerin Özoğuz am Donnerstag die Absage. „Ditib hätte gestern Abend den Vorwurf ausräumen können, dass sie von Ankara gelenkt werden, ich bedaure sehr, dass sie diese Chance nicht genutzt haben“, fügte sie hinzu. Es heißt, die Aussage soll von der Kölner Ditib-Zentrale angeordnet worden sein.

Der CDU-Politiker Günter Krings hatte Türken hier Konsequenzen angedroht

Ditib ist der größte islamische Verband in Deutschland und untersteht offiziell der Religionsbehörde in Ankara. Einerseits hat er die Morddrohungen gegen Abgeordnete wegen der Armenien-Resolution verurteilt. Doch Zekeriya Altuğ, Vorsitzender des Hamburger Ditib-Landesverbands, übte auch scharfe Kritik an den elf türkeistämmigen Abgeordneten im Bundestag, die für die Resolution gestimmt hatten. Viele Mitglieder seines Verbands würden sich von diesen Abgeordneten nicht mehr vertreten fühlen: „Das ist natürlich ein riesiger Vertrauensverlust, der die Menschen hier weiter spaltet“, sagte er.

In der Türkei schlägt das Thema weiter hohe Wellen. Die Heimatgemeinde des Vaters von Cem Özdemir hat dem Grünen-Chef sogar seine Ehrenbürgerschaft entzogen. Für Aufregung sorgt in türkischen Blättern auch eine Äußerung des CDU-Politikers Günter Krings, der in Deutschland lebenden Türken Konsequenzen durch die Ausländerbehörden angedroht hatte, sollten sie sich an Anfeindungen gegen Abgeordnete des Bundestags beteiligen. „Wer sich als ausländischer Staatsbürger in Deutschland dieser Hetze Erdoğans anschließt, muss sich fragen, ob er bei uns noch gut aufgehoben ist“, hatte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium gesagt. Dies müsse „natürlich auch bei Entscheidungen über Aufenthaltstitel berücksichtigt werden“.

Die regierungsnahe Sabahfragte unter der Überschrift „McCarthyismus 2.0: „Plant Staatssekretär Krings ein ­Gesinnungs-Aufenthaltsrecht?“ Und das Boulevardblatt Takvimtitelte: „Eine freche Drohung Deutschlands gegen die Türken“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen