Der Kampf ums letzte Mandat

WAHL AfD und SPD in Bremen streiten sich vor Bremens Staatsgerichtshof um einen Sitz im Landtag. Das Problem: Die rot-grüne Koalition hat nur eine knappe Mehrheit. Jetzt wird Bremerhaven wohl neu ausgezählt

Ein Jahr nach Bremens Bürgerschaftswahl muss in Bremerhaven vermutlich neu ausgezählt werden. Darauf dringen die SPD und der Landeswahlleiter Jürgen Wayand. Sie haben eine entsprechende Klage vor Bremens Staatsgerichtshof angestrengt, die am Freitag verhandelt, aber noch nicht entschieden wurde. Mit einer Neuauszählung aller Stimmen in Bremerhaven wollen die Kläger erreichen, dass die AfD keinen weiteren Sitz im Landtag bekommt.

Genau das aber hatte das Wahlprüfungsgericht entschieden: Wegen einer „erheblichen Anzahl von Fehlern“ in verschiedenen Wahlbezirken der Stadt hatte es auf Betreiben der AfD hin die ausgezählten Stimmen neu bewertet. Das Ergebnis: Die AfD, die in Bremerhaven zunächst knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, erhielt einen weiteren Sitz im Landtag. Bekommen wird ihn Thomas Jürgewitz, der Spitzenkandidat der AfD in Bremerhaven. Für ihn muss die SPD-Abgeordnete Petra Jäschke ihren Sitz räumen.

Interessant ist das auch deshalb, weil Rot-Grün nur über eine hauchdünne Mehrheit im Landtag verfügt. Nach der Wahl im vergangenen Mai kam die Regierungskoalition zunächst auf 44 der 83 Sitze. Sie verlor dann aber ein Mandat an die CDU-Opposition – der Grüne Turhal Özdal aus Bremerhaven wechselte die Partei. Zudem laufen Ermittlungen gegen zwei SPD-Abgeordnete: Der eine, Mehmet Acar, soll Steuern und Sozialabgaben hinterzogen haben. Bei dem anderen, Andreas Kottisch, steht im Zusammenhang mit dem Magistrat in Bremerhaven der Vorwurf der Vorteilsgewährung im Raum.

Die AfD will nun „mit allen rechtsstaatlichen Mitteln“ dafür kämpfen, dass ihr jenes eine Mandat erhalten bleibt, das sie vom Wahlprüfungsgericht nachträglich bekommen hat. Wären nicht drei ihrer Abgeordneten schon kurz nach der Wahl zur gemäßigten AfD-Abspaltung „Alfa“ gewechselt, hätten die Rechtspopulisten im Landtag dann sogar eine Fraktion bilden können.

Der Landeswahlleiter indes findet es nun „unerlässlich“, dass nicht nur einzelne Wahlbezirke, sondern die gesamte Wahl in Bremerhaven neu ausgezählt wird – weil angesichts des knappen Wahlergebnisses die Gefahr bestehe, dass der Landtag nun „falsch zusammengesetzt“ ist. Das Kalkül: Die – unstrittigen – Fehler bei der Auszählung der Stimmen sind so gleichmäßig über die Stadt verteilt, dass das Endergebnis trotzdem dasselbe bleibt.

Das hat vor Kurzem schon einmal funktioniert: Die Kommunalwahl in Bremerhaven wurde neu ausgewertet. Die rechtspopulistische Gruppe „Bürger in Wut“, deren Einspruch erst zur Nachzählung geführt hatte, musste am Ende Stimmenverluste hinnehmen, während SPD und Grüne sogar profitierten. JAN ZIER