: Gong zur vierten Runde
URTEIL Eisschnellläuferin Claudia Pechstein verliert vorm BGH auf ganzer Linie
aus Karlsruhe Christian Rath
Claudia Pechstein darf nicht vor deutschen Gerichten um ihren guten Ruf kämpfen. Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte ihre Klage an diesem Dienstag für „unzulässig“. Zugleich hob der BGH ein für Pechstein positives Urteil des Oberlandesgerichts München auf. Der BGH hat damit das System einer eigenständigen Sportschiedsgerichtsbarkeit gestärkt.
Claudia Pechstein war für zwei Jahre gesperrt worden. Grund waren ungewöhnliche Blutwerte, die für den Eisschnellaufverband ISU auf Doping hindeuteten. Pechstein bestritt, gedopt zu haben und legte Rechtsmittel ein. Doch der Sportgerichtshof CAS in Lausanne bestätigte die Sperre. Anschließend billigte das Schweizer Bundesgericht das CAS-Urteil. Nach einigen Monaten legte Pechsein allerdings ein Gutachten vor, das die seltsamen Blutwerte mit einer von ihrem Vater ererbten Blutanomalie erklärte.
Seitdem versucht Pechstein, die ISU vor deutschen Gerichten zu verklagen. Als Schadensersatz verlangte sie rund 3,5 Millionen Euro. Problem dabei: Pechstein hatte vor der WM 2009 in Hamar die übliche Athletenvereinbarung der ISU unterzeichnet. Damit hatte sie zugestimmt, dass für Rechtsstreitigkeiten ausschließlich der Sportgerichtshof CAS zuständig ist. Auch andere Sportverbände verlangen vor Wettkämpfen die Unterschrift unter solche Klauseln. Der Bundesgerichtshof musste nun entscheiden, ob die Schiedsvereinbarung wirksam ist oder ob der Sportverband dabei eine marktbeherrschende Stellung missbrauchte, wie das OLG München meinte. Im Kern ging es also um Kartellrecht.
Der BGH stellte zwar fest, dass die ISU für Eisschnelllauf-Weltmeisterschaften ein Monopol innehabe. Diese marktbeherrschende Stellung habe die ISU aber nicht missbraucht. Das OLG München hatte kritisiert, dass die meisten der Schiedsrichter für die CAS-Schiedsgerichte von Sportverbänden vorgeschlagen wurden. Die Verbände hätten daher ein „Übergewicht“ gegenüber den Athleten. Das sah der BGH nun aber anders. So gebe es schon keinen natürlichen Gegensatz zwischen Athleten und Verbänden. Beide Seiten hätten das gleiche Interesse an einer effizienten Bekämpfung des Dopings. Die schnelle und weltweit einheitliche Entscheidung durch ein zentrales Sportgericht sei für alle Beteiligten sinnvoll.
Auch bei der Besetzung des „konkreten Schiedsgerichts“ gebe es „kein strukturelles Ungleichgewicht“. Der Sportverband und der Athlet wählen jeweils einen Schiedsrichter aus der mehr als 200 Personen umfassenden CAS-Schiedsrichterliste aus. „Diese beiden Schiedsrichter bestimmen dann gemeinsam den Obmann des Schiedsgerichts“, sagte Gerichtspräsidentin Bettina Limperg. Die Seite, die beim CAS unterliege, könne noch das Schweizer Bundesgericht anrufen. Dort kann das CAS-Urteil zumindest auf grundlegende rechtstaatliche Mängel überprüft werden. „Ein Anspruch auf Zugang zu den deutschen Gerichten besteht nicht.“
Das System sei „in der Gesamtbetrachtung zwar nicht ideal“, die CAS-Schiedsgerichte seien jedoch „hinreichend neutral und unabhängig“, betonte Limperg. Claudia Pechstein, die in ihrer blauen Bundespolizeiuniform erschienen war, nahm das Urteil mit versteinerter Miene auf. Zunächst verließ sie wortlos das Gerichtsgebäude. Nach einer Besprechung mit ihren Anwälten gab sie aber doch eine Erklärung ab. „Ich werde nun das Bundesverfassungsgericht anrufen“, kündigte sie an. Dass Sportler nicht vor deutschen Gerichten klagen können, mache sie zu „Bürgern zweiter Klasse“.
Parallel läuft bereits eine Beschwerde Pechsteins beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Dort wendet sie sich dagegen, dass das Schweizer Bundesgericht das CAS-Urteil akzeptiert hatte. „Die Schweiz ist eine Bananenrepublik“, sagte Claudia Pechsteins Anwalt Thomas Summerer in Karlsruhe. Die heute 44-jährige Eisschnellläuferin ist immer noch aktiv und will auch an den Olympischen Winterspielen 2018 in Südkorea teilnehmen. Pechsteins Blutwerte seien kein Problem mehr, so ihr zweiter Anwalt Simon Bergmann, denn inzwischen könnten Dopingsperren nicht mehr auf einzelne Blutparameter gestützt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen