Dialog mit Muslimen in Berlin: Kein Frieden zur Fastenzeit

Das Berliner Islamforum tagt nach langer Pause – und gleich gibt es neuen Ärger. Wieder ist der Verfassungsschutz der Anlass.

Zum Fastenmonat Ramadan festlich beleuchtete Moschee. Foto: AP

Er ist eine Zeit des Friedens und der Versöhnung: der islamische Fastenmonat Ramadan, der am Montag begonnen hat. Da passte es gut, dass kurz zuvor das Berliner Islamforum, ein institutionalisierter Dialog zwischen Berlins Verwaltung und muslimischen Organisationen, nach über einjähriger Pause wieder zusammentrat.

Doch so ganz klappte es trotzdem nicht mit der Versöhnung bei dem jüngsten Treffen zwischen Muslimen und Behördenvertretern. Anlass war, wie schon früher, der Verfassungsschutz, konkret: dessen Broschüre „Aktivitäten islamistischer Akteure im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation“.

Diese 16-seitige Handreichung wird nach Auskunft muslimischer FlüchtlingshelferInnen auch an Betreiber von Flüchtlingsunterkünften ausgegeben. Die Broschüre bringt sieben der zehn großen arabischsprachigen Moscheegemeinden Berlins mit der islamistischen Muslimbruderschaft oder dem „salafistischen Spektrum“ in Verbindung – ohne konkrete Belege dafür zu benennen.

Darunter befinden sich nicht nur drei Gemeinden, die selbst dem Islamforum angehören, sondern etwa auch die Neuköllner Begegnungsstätte (NBS), deren Imam Mohamad Taha Sabri seit vergangenen Oktober den Verdienstorden des Landes Berlin trägt. Taha vertrete „einen friedlichen Islam, der nicht in Gläubige und Ungläubige spaltet“, hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) damals in seiner Würdigung gesagt: Er fordere Muslime stattdessen auf, „Gesicht zu zeigen gegen die Verbrechen der Dschihadisten, deren Taten er unislamisch nennt“.

Spannungen zu groß

Der Ramadan (türkisch: Ramazan) ist der heilige Fastenmonat der Muslime; in diesem Monat soll dem Propheten Mohammed der Koran offenbart worden sein. Da im islamischen Kalender, der dem Mond folgt, die Monate durch die Jahreszeiten wandern, fängt der Fastenmonat Jahr für Jahr um einige Tage früher an und kann in jeder Jahreszeit liegen.

In diesem Jahr hat der Fastenmonat am 6. Juni begonnen und endet am 5. Juli mit dem Zuckerfest. Die Fastenden unter den insgesamt gut 250.000 Berliner MuslimInnen essen und trinken erst nach Einbruch der Dunkelheit. Auch Rauchen und Sex sind nur im Dunkeln erlaubt. Wer krank, schwanger ist, stillt oder menstruiert oder auf Reisen ist, muss nicht fasten, die Fastentage aber später nachholen. (taz)

Ganz ähnliche Spannungen waren der Grund für die lange Pause des Berliner Islamforums. Anlass war der im Jahr 2013 von Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) verfügte Stopp eines Projekts der Arbeitsgemeinschaft Muslimische Gefängnisseelsorge, das islamische Seelsorge für muslimische Gefängnisinsassen schaffen sollte.

Der Stopp erfolgte just, als die vom Senat finanzierte Ausbildung der Seelsorger bereits abgeschlossen war. Begründet hatte die Justizverwaltung das Verbot mit Bedenken des Verfassungsschutzes – ohne diese genau auszuführen: „Zentrale Personen“ in dem Projekt seien „problematisch“, hieß es nur. Die Islamverbände sagten daraufhin ein für November 2013 geplantes Treffens des Islamforums ab.

Erst im Februar 2015 kam das Forum erneut zusammen, auf Wunsch der MuslimInnen aber ohne die Innenverwaltung, der der Verfassungsschutz untersteht. Zum jetzigen Treffen war die Behörde zwar wieder eingeladen – doch es kam nur der Verfassungsschutz. Nicht dabei war dessen Dienstherr, Innensenator Frank Henkel (CDU).

Das Islamforum wurde 2005 von dem damaligen Integrationsbeauftragten des Berliner Senats, Günter Piening, ins Leben gerufen. Als Ort des institutionalisierten Dialogs soll es einen „verbindlichen Austausch“ zwischen islamischen Organisationen, Senatsverwaltungen, Bezirken sowie den jüdischen und christlichen Gemeinden sicherstellen – so die Ziele des Forums, nachzulesen auf der Website des Beauftragten für Integration und Migration.

Fragen der Kooperation staatlicher und religiöser Institutionen sollen in vertrauter Atmosphäre behandelt werden, ebenso wie die Basis für die Partizipation und ein Zusammenleben der vielfältigen Berliner Bevölkerung geschaffen werden soll.

Themen des jüngsten Treffens waren neben der Errichtung eines Lehrstuhls für islamische Theologie die Versorgung von muslimischen Geflüchteten während des Fastenmonats und die Auslegung des Neutralitätsgesetzes. Die Treffen sollen viermal jährlich stattfinden. (taz)

Henkel habe in seiner bisherigen Amtszeit nicht ein einziges Mal am Islamforum teilgenommen, sagt Mohamad Hajjaj, Landesvorsitzender des Zentralrats der Muslime, der im Islamforum den Verein Inssan vertritt. Für die VertreterInnen der muslimischen Verbände symbolisiere dies das generelle Desinteresse des Senators und der Innenbehörde am Austausch mit Muslimen.

Letztere wurmt das wenig, was daran liegen mag, dass es längst ein zweites Dialogforum gibt: den Runden Tisch Islam, eingerichtet im Herbst 2015 von der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters selbst. Ziel des dort geführten „vorstaatlichen Meinungsbildungsprozesses“ ist laut dem Sprecher für Kulturelle Angelegenheiten bei der Senatskanzlei, „gemeinsame Themen und Lösungsansätze zu klären und zu bündeln, die zu einer Verbesserung der gesellschaftlichen Anerkennung und der rechtlichen Stellung des Islams führen können“.

Etwas kürzer gesagt geht es um die Vorbereitung eines Staatsvertrags zwischen dem Land und Berlins islamischen Gemeinden. Der würde das Verhältnis und die gegenseitigen Rechte und Pflichten beider Vertragspartner regeln und damit eine klare Basis für den Umgang miteinander schaffen. Fürsprecher eines solchen Vertrags, wie er seit dem Jahr 1994 auch mit der Jüdischen Gemeinde Berlin besteht, ist auch der SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh.

Auf eigene Kosten

Zurück zum Ramadan: Mit seiner Warnung vor Moscheen habe sich der Senat gerade jetzt keinen Gefallen getan, meint Islamforumsmitglied Mohamad Hajjaj. Denn in den Notunterkünften, wo Flüchtlinge voll verpflegt werden, würde das Essen auch in der Fastenzeit weiter tagsüber geliefert.

Es seien Moscheen wie die Neuköllner Begegnungsstätte, wohin viele muslimische Geflüchtete etwa aus den Tempelhofer Hangars zum Beten kämen, die diesen zur erlaubten Abendzeit Essen anböten: „Ehrenamtlich und auf eigene Kosten“, so Hajjaj.

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