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Mit Bildung gegen Politikverdrossenheit

POLITISCHE BILDUNG Nachdem unter der gelb-schwarzen Landesregierung die niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung vor zwölf Jahren schließen musste, nimmt sie Ende des Jahres ihre Arbeit wieder auf

Aber wie geht das? Die Landeszentralen für politische Bildung geben Antworten Foto: Maja Hitij/dpa

von Thomas Wübker

Die Aufgaben der deutschen Landeszentralen für politische Bildung (LZPB) bestehen darin, „das demokratische und politische Bewusstsein der Bürger zu stärken und deren aktive Beteiligung am politischen Leben zu fördern“: So wurde es im „Münchner Manifest“ von 1997 festgeschrieben. Sieben Jahre später konnte diese Aufgabe in Niedersachsen nicht mehr durchgeführt werden. Doch Ende dieses Jahres erlebt die politische Bildung in Niedersachsen ein Revival.

Die schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) löste die Landeszentrale 2004 auf. Im April dieses Jahres wurde dieser Beschluss vom Landtag zurückgenommen: Mit den Stimmen aller Parteien wurde beschlossen, dass Niedersachsen wieder eine LZPB bekommen soll. Endes des Jahres soll sie ihre Arbeit aufnehmen.

Bei der Gründung der Bundeszentrale für politische Bildung stand eine zentrale Frage im Vordergrund: Wie funktioniert diese Demokratie eigentlich? Nach dem Zusammenbruch des sogenannten „Dritten Reichs“ fragten sich das nicht wenige Deutsche. Die 1952 als Bundeszentrale für Heimatdienst gegründete und elf Jahre später in Bundeszentrale für politische Bildung umbenannte Behörde wollte Antworten geben. Die Dependance in Niedersachsen wurde 1955 gegründet.

Die Auflösung der LZPB in Niedersachsen bezeichnete die grüne Landtagsabgeordnete Julia Willie Hamburg jüngst als einen „schweren Fehler“. Bereits 2008 hatten die Grünen im Bundestag versucht, die Schließung der niedersächsischen Landeszentrale rückgängig zu machen. Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić, ebenfalls von den Grünen, saß bei der Auflösung vor zwölf Jahren im Kuratorium der Behörde. Sie sagte nach dem Beschluss des Landtags, die Landeszentrale solle Impulsgeber für neue Formen der Beteiligung und neue Diskussionsformen werden. Sie könne auch Ideen entwickeln, wie dem aufkommenden Rechtspopulismus und der Wählerapathie begegnet werden könne.

„Politische Bildung bedarf funktionsfähiger Strukturen. Mit der Einrichtung eines Schulfachs alleine ist es nicht getan“, sagt Monika Oberle, Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW). Eine LZPB, die politische Bildung mit aktuellen und landesspezifischen Materialien sowie der Ausrichtung und finanziellen Förderung von Veranstaltungen unterstütze, sei ein wertvoller Baustein für die Förderung einer demokratietauglichen politischen Kultur im Land, so die Professorin für Politikwissenschaft und Didaktik der Politik an der Georg-August-Universität Göttingen weiter.

Wesentliche inhaltliche Aufgaben der neuen Landeszen­trale seien die Stärkung der Demokratie und die Förderung des Verständnisses für politische Sachverhalte, sagt Jan Haude, stellvertretender Pressesprecher im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur. So könne auch Radikalisierungsprozessen entgegengewirkt werden. Konkrete Programme sollen nach der Eröffnung der Landeszentrale erarbeitet werden.

Wie die Zentrale auf ihre Reaktivierung aufmerksam machen will, ist noch nicht entschieden worden. „Nach dem Beschluss des Niedersächsischen Landtags bereitet die Landesregierung aktuell den formalen Errichtungsbeschluss vor. Die neue Landeszentrale befindet sich noch in der Konzeptionsphase, konkrete Maßnahmen sind in diesem Bereich noch in Vorbereitung“, sagt Haude.

Die BewohnerInnen Niedersachsens, die ein Dutzend Jahre ohne Landeszentrale leben mussten, scheinen die Nachhilfe in politischer Bildung nötig zu haben. Einen entscheidenden Prozess gelebter Demokratie haben sie mehr und mehr vernachlässigt. Die Wahlbeteiligung sackte zwar schon vor der Schließung der Landeszentrale ab, bei der Landtagswahl 2008, der ersten nach dem Ende der Behörde, fiel sie allerdings um satte zehn Prozent von 67 auf 57 Prozent. 2013 stieg sie allerdings wieder an, wenn auch nur um zwei Prozent.

Kann die LZPB die WählerInnen aufwecken und zum Gang zur Urne bewegen? „Nur wer Informationen zu aktuellen politischen Themen hat, kann sich dazu auch eine Meinung bilden. Um diese politische Bildungsarbeit zu leisten, wird die neue Landeszentrale auch neue Formate entwickeln und veränderte Lebenswelten berücksichtigen“, sagt Jan Haude dazu.

Auch Monika Oberle sieht Potenziale der Landeszentrale bei der Bewältigung aktueller gesellschaftlicher Probleme. „Sie kann einen wertvollen Beitrag dazu leisten, Herausforderungen wie Migration und Inklusion erfolgreich zu meistern, Rechtsextremismus und Islamismus beziehungsweise generell politischen Extremismus vor allem auch präventiv zu bekämpfen und Politikverdrossenheit entgegenzuwirken.“ Politisches Interesse, politisches Wissen und politische Beteiligungsbereitschaft könne die Landeszentrale bei den Bürgerinnen und Bürgern fördern, glaubt Oberle.

„Politische Bildung bedarf funktionsfähiger Strukturen. Mit der Einrichtung eines Schulfachs alleine ist es nicht getan“

Monika Oberle, Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW)

Für ihre Arbeit erhält die LZPB in diesem Jahr eine Million Euro. „Mit der finanziellen Ausstattung der Landeszentralen in Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg ist diese Anfangsfinanzierung natürlich nicht vergleichbar, und selbst Berlin oder Hamburg sind hier bereits besser aufgestellt“, sagt Oberle. Doch es sei ein Anfang gemacht. Perspektivisch habe eine funktionsfähige Landeszentrale in einem Flächenland wie Niedersachsen sicher einen höheren Mittelbedarf, sagt sie.

Dem Vorhalt, dass Landeszentralen in anderen Bundesländern wesentlich mehr Geld bekommen, hält Haude entgegen: „Insgesamt werden für diese Aufgabe jährlich rund zehn Millionen Euro aufgewendet.“ Politische Bildung, die sich an die Öffentlichkeit richte, erfolge in Niedersachsen aktuell insbesondere in der Erwachsenenbildung und in der schulischen Bildung, aber beispielsweise auch in den Geschäftsbereichen von Justiz- und Innenministerium, auch beim Landespräventionsrat und mit Programmen gegen Rechtsextremismus. „Die Koordinierung dieser bestehenden Aktivitäten wird eine der Aufgaben der zukünftigen Landeszentrale sein. Daher ist ihr Mittelansatz nur bedingt vergleichbar mit den Budgets anderer Landeszentralen“, sagt Haude.

Der LZPB wird ein Kuratorium vorsitzen, das durch den Niedersächsischen Landtag benannt wird und in dem RepräsentantInnen aller dort vertretenen Parteien sitzen, und es bestimmt auch den eigenen Vorsitzenden.

„Das Kuratorium sollte unbedingt überparteilich besetzt sein“, sagt Oberle. Neben ParlamentarierInnen unterschiedlicher politischer Couleur – ohne einseitige Mehrheitsverhältnisse – sollten dem Kuratorium „unbedingt auch Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft – insbesondere aus Politikwissenschaft und Politikdidaktik – angehören“, meint die Professorin. Nur so könne deren fachliche Expertise gewährleistet werden.

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