Österreich

Was ist nur los im Nachbarland? Warum zerlegt sich die SPÖ? Wie agieren die Politiker in dieser schwierigen Situation?

Nichts gelernt

TV-Duell Die Kandidaten für die Präsidentschaft versemmeln ihren Fernsehauftritt

WIEN taz | „Beide blamiert, Amt beschädigt. Das war Kindergartenniveau.“ So urteilte der Politikberater Thomas Hofer unmittelbar nach einer Fernsehdebatte zwischen den Kandidaten für die österreichische Präsidentschaftswahl am kommenden Sonntag.

Der Privatsender ATV hatte den Grünen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer von der rechtspopulistischen FPÖ in einem ungewöhnlichen Format gegeneinander antreten lassen: Die beiden mussten 45 Minuten lang ohne Moderation und Spielregeln diskutieren.

Was sehr zivilisiert und mit den schon gewohnten Höflichkeiten begann, artete nach der Halbzeit zu einem niveaulosen Austausch von Beschimpfungen aus.

Hofer, der bei der ersten Runde am 24. April mit über 35 Prozent der Stimmen den klaren ersten Platz belegt hatte, war von Europas Rechtsextremen wie Geert Wilders und Marine Le Pen beglückwünscht worden.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Europaparlamentspräsident Martin Schultz haben eine Wahlempfehlung für Van der Bellen abgegeben. Hofer sah das als „Befehle aus Brüssel“.

Für Lothar Lockl, den Wahlkampfmanager Van der Bellens, war es Hofer, der „mit seinen NLP-Tricks“ die Debatte zerstört hat. Tatsächlich war Norbert Hofer sogar Trainer des Neurolinguistischen Programmierens (NLP), einer Rhetorikmethode, mit der man Debatten zu lenken versucht und unangenehmen Fragen ausweicht.

Andererseits ließ sich der sonst so bedächtige grüne Wirtschaftsprofessor Van der Bellen dazu hinreißen, auf einen provokanten Einwurf seines Gegenübers den Scheibenwischer (für geistige Umnachtung) zu zeigen.

Inhaltlich brachte die Debatte wenig Neues. Van der Bellen versuchte mit dem Thema Arbeitsplätze die sozialdemokratischen Wähler – ebenso wie Konservative – anzusprechen. Außerdem verspricht er Kontinuität, er will das Ansehen Österreichs in der Welt verbessern.

Sein Widersacher Hofer hingegen gibt den heiligen Georg, der gegen den Drachen des Establishments antritt. Er will keine Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP auf keinen Fall unterschreiben.

Für Van der Bellens Unterstützungskomitee, in dem fast alle, die in Kunst und Kultur Rang und Namen haben, versammelt sind, hatte der FPÖ-Mann nur Verachtung übrig: „Sie sind ein Kandidat der Schickeria, Herr Van der Bellen, ich bin ein Kandidat der Menschen.“

Wenn es das Ziel dieser Veranstaltung war, die Unentschlossenen und die Nichtwähler anzusprechen, so das fast einhellige Urteil der Gäste von ATV, dann ist die Mission gründlich misslungen.Ralf Leonhard

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