AfD und Katholiken

In Leipzig wollte die Kirche den Rechtspopulisten kein Podiumfür ausländerfeindliche, antiliberale, antihumane Sprüche bieten

Auf der Suche nach dem rechten christlichen Weg

Katholiken Die AfD war beim Katholikentagin Leipzig nicht eingeladen. Parteichefin Petry und ihre Freunde nennen die katholische Kirche „unchristlich“und werfen ihr „Ablasshandel“ vor

Katholikentagsmesse im Leipziger Bahnhof. Foto: Hanno Gutmann/epd/imago

Aus Leipzig Philipp Gessler

Es gehört schon eine gewisse Chuzpe dazu, während des Katholikentages mitten zwischen den feiernden und betenden Gläubigen in ein Studio zu gehen und Öl ins Feuer zu gießen – in einem Streit, den man sowieso schon mit der katholischen Kirche hat. So machte das am Wochenende die AfD-Vorsitzende Frauke Petry beim dem großen Christentreffen in Leipzig.

Es scheine ihr offensichtlich, sagte sie dem Deutschlandfunk, dass „die Kirche eine Art modernen Ablasshandel betreibt, gerade in der aktuellen Flüchtlingskrise“. Die Kirche verfolge mit ihrer karitativen Arbeit „eigene Interessen“. Es gebe eine „starke Verflechtung“ in die Aufnahme von Flüchtlingen, das Bereitstellen von Räumlichkeiten und „damit natürlich eine Partizipation an den staatlichen Mitteln“.

Dass die Alternative für Deutschland von den Podien des Katholikentags in Leipzig ausgeschlossen wurde, nannte Petry ein „unchristliches Verhalten sondergleichen“. Sie habe gelernt, dass die Türen der Kirche für jedermann offen seien.

Die Chefin der deutschen Rechtspopulisten bestärkte damit prominente Parteikameraden, die beide großen Volkskirchen in Deutschland schon seit Monaten zu ihren Lieblingsfeinden zählen. Der bayerische AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron hatte ihnen erst vor wenigen Tagen vorgeworfen, sie machten ein „Milliardengeschäft“ mit ihren Hilfen bei der Flüchtlingskrise – und das noch „unter dem Deckmantel der Nächstenliebe“.

Marcus Pretzell, der Lebensgefährte der Parteichefin Petry und Chef des NRW-Verbandes der Partei, setzte noch einen drauf: Die katholische Kirche sei eigentlich ein „Asylindustrieverband“. Deshalb lehne sie das direkte Gespräch mit der AfD ab – aus Angst vor „Geschäftsschädigung“.

Das tat der AfD weh

Der Streit hat eine Vorgeschichte: Schon im vergangenen Herbst entschloss sich der Ausrichter des Katholikentages, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), AfD-Funktionäre nicht zu Veranstaltungen des Katholikentages in Leipzig einzuladen.

Der neue ZdK-Präsident Thomas Sternberg variierte in der Messestadt immer wieder die gleichen Worte: Man wolle der AfD kein Podium geben, auf dem sie ihre ausländerfeindlichen, antiliberalen, antihumanen und am Ende antichristlichen Sprüche klopfen könne. Schließlich gehe es in Leipzig um echten Dialog und nicht um Showveranstaltungen. Überall im AfD-Programm fänden sich Ressentiments gegen Menschen. Sternberg: „Menschenverachtende Positionen haben aber auf dem Katholikentag keinen Platz.“

Allerdings hatte Sternberg, der für die CDU im Landtag von NRW sitzt, schon einmal in der Beilage „Christ und Welt“ der Zeit mit seinem ehemaligen Parteifreund und jetzigen AfD-Vize Alexander Gauland gesprochen. Sternberg sagte da, „in vielen Punkten“ sei die AfD für ihn „absolut“ eine unchristliche Partei.

Dass die katholische Amtskirche mit der AfD und der Pegida-Bewegung über Kreuz ist, ist schon länger unübersehbar: Die Oberhirten von Köln und Erfurt, Kardinal Rainer Maria Woel­ki und Ulrich Neymeyr, ließen ihre Dome bei Demonstrationen der Rechtspopulisten vor ihren Türen unbeleuchtet oder ließen die Großkirchen verdunkeln.

Immerhin: Der Konflikt mit der AfD hat der katholischen Kirche geholfen, ihre Reihen zu schließen

Wie weh solche Zeichen dem AfD-Spitzenpersonal taten, zeigt eine Aussage der thüringischen AfD-Abgeordneten Wiebke Muhsal, die in Folge der Verdunklung der Dome von „verrotteten Funktionsträgern“ der Kirche sprach.

Ihr Fraktionschef Björn Höcke fand ein Luther-Zitat, das er gegen die Kirche münzte: „Man muss dem Teufel das Kreuz in Angesicht schlagen, so weiß er, mit wem er umgeht.“ Und AfD-Mitgründer Alexander Gauland sagte kürzlich, das bischöfliche Licht-Ausknipsen sei der Versuch gewesen, „uns mundtot zu machen“. Man könne ja verschiedene Positionen vertreten, „aber das Domlicht auszuschalten, das ist feige“. Übrigens hat Gauland in der taz noch bis vor wenigen Jahren Debattenbeiträge geschrieben.

Allerdings findet sich auch in der katholischen Kirche ein stramm rechtes Milieu. Zwar gibt es Studien, wonach Kirchenmitglieder unter den Anhängern der AfD im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung unterrepräsentiert sind. Aber die gerade unter Rechtspopulisten populäre Verherrlichung der traditionellen Familie sowie die Verurteilung von Homosexualität und Gender-Theorie ist für ultrakonservative Christinnen und Christen durchaus attraktiv. Darüber war von Andreas Püttmann mehr zu erfahren. Er sprach während des Kirchentages auf der Veranstaltung „Von der seltsamen Rückbesinnung auf das ‚Christliche Abendland‘. Populismus, Nationalismus, Neue Rechte in Europa“. Der Politikwissenschaftler war einst selbst ein Vertreter dieses rechtskonservativen Milieus, allerdings eher in theologisch-liturgischer Hinsicht. Püttmann, unter anderem wegen der Affäre um den Prunkbischof von Limburg vom Saulus zum Paulus konvertiert, warnte am Rande des Katholikentags, es gebe einen „ideologischen Familismus“ in ultrakonservativen katholischen Kreisen, die gern auf der österreichischen Internet-Plattform „kath.net“ publizieren – so wie der Politologe es früher auch tat.

Der Ton wird härter

Der Ton ist dort mittlerweile so rau, dass es selbst dem sehr konservativen Passauer Bischof Stefan Oster vor gut einem Jahr zu bunt wurde: Er kritisierte bei kath.net eine „Komplexitätsreduktion“, bei der nur noch „schwarz und weiß oder gut und böse“ argumentiert werde, sowie eine Zunahme der Polarisierung und persönlichen Diffamierungen.

Tatsächlich haben die deutschen katholischen Bischöfe immer wieder mit einem politisch ultrarechten katholischen Milieu zu tun. Dieses übt enormen Druck auf sie aus, auch dank gelegentlicher Protektion ähnlich denkender Kreise im Vatikan.

In Deutschland gibt es beispielsweise die Katholiken-Vereinigung „Gesellschaft für Tradition, Familie und Privateigentum“, die eine Homepage betreibt, bei der man nicht mehr weiß, ob man weinen oder lachen soll. Da heißt es etwa: „Eine starke revolutionäre Propaganda, die mindestens bis auf Jean-Jacques Rousseau und auf Proudhon zurückgeht – ‚Eigentum ist Diebstahl‘ –, hat selbst bei den Nicht-Kommunisten und bei einer großen Anzahl von Katholiken ein schlechtes Gewissen hinsichtlich des Rechts auf Eigentum verursacht.“

Ähnlich ist es bei dem AfD-nahen „Pforzheimer Kreis“, der sich als christlich begreift. Ganz klar sagen diese Christen, dass sie „die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ablehnen“. Und: „Wir erkennen auch deutlich, dass es einflussreiche Interessensgruppen gibt, deren offensichtliches Ziel die Zerstörung der christliche Ehe ist. Dem treten wir mit allem nötigen Nachdruck entgegen.“

Wie oft? Alle zwei Jahre ruft das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) die katholischen Gläubigen hierzulande in eine andere Stadt, um gemeinsam den Katholikentag zu feiern.

Wer kommt? Das ZdK ist die Vertretung der Laien in der katholischen Kirche. Zum Katholikentag kommen in der Regel rund 30.000 Menschen, darunter in der Regel auch viele Bischöfe.

Seit wann? Das große Katholikentreffen findet seit 1848 statt. Der diesjährige 100. Katholikentag endete Sonntag in Leipzig.

Wozu? Anfangs vor allem gegründet, um katholische Interessen in den meist überwiegend protestantisch geprägten deutschen Ländern zu fördern, bietet der Katholikentag heute eher die Möglichkeit, mit Zehntausenden anderen Christinnen und Christen zu beten, zu diskutieren und zu feiern. Der Evangelische Kirchentag, der im Wechsel mit dem Katholikentag stattfindet, ist meist größer. (ges)

Auch im freikirchlich-frommen Milieu sind solche Stimmen zu hören, gelegentlich etwa in der evangelikalen Publikation idea spektrum. Dort wurde in der vergangenen Woche länglich die Bundessprecherin der „Christen in der AfD“, Anette Schultner aus Hameln, zitiert. Unter der Überschrift „Ist die AfD eine christliche Partei?“ verkündete sie: „Gerade viele christlich-konservative Wähler finden die Familien- und Bildungspolitik der AfD zukunftsweisend und wählen uns unter anderem deshalb.“ Zu behaupten, die AfD sei eine antichristliche Partei, sei absurd und ein Schlag ins Gesicht der christlich-konservativen AfD-Wähler. Die Vereinigung „Christen in der AfD“ machte noch anders von sich reden – allerdings eher auf absurde Weise: Als jüngst ein angeblicher Bischof aus Malta mit einem irgendwie katholisch klingenden Titel einen Gottesdienst auf dem Stuttgarter Parteitag der AfD feierte, distanzierte sich die deutsche Bischofskonferenz offiziell von diesem Ereignis: Dieser Pseudo-Oberhirte habe nichts mit der katholischen Kirche zu tun. Nach dem Parteitag mit seinem Kernsatz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ kritisierten viele Christen die AfD.

Auf dem Katholikentag sorgten die AfD-Anwürfe, die Kirchen betrieben Geschäftemacherei mit den Flüchtlingen, für Empörung bei Laien und Klerikern. Der Sprecher der Bischofskonferenz nannte die Bystron-Vorwürfe schlicht „Gequatsche“ und „unreflektiertes Gerede“. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch sprach von einer Unverschämtheit. Kardinal Woel­ki sagte, eine solche Äußerung spreche für eine „gestörte Realitätswahrnehmung“ der AfD.

Nun werden sie streitbarer

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der in Sachen Flüchtlingskrise oft mit der Kirche streitet, sprang ihr bei und verurteilte die AfD-Äußerungen als eine „Beleidigung“ für die christlichen Helferinnen und Helfer.

Immerhin: Der Zwist mit der AfD hat der Kirche geholfen, ihre Reihen zu schließen. Dennoch zeigte man sich unter den ZdK-Mitgliedern auf dem Katholikentag am Ende nicht sicher, ob diese öffentliche Keilerei nicht zu viele andere, wichtigere Botschaften des christlichen Groß­ereignisses überdeckt habe. Aber klar ist auch: Der Katholikentag in Leipzig und die katholische Kirche insgesamt haben durch diesen Konflikt an Profil gewonnen: ein streitbares.