Zum Tod Margot Honeckers: Niemand war so verhasst
Margot Honecker, Politikerin und Frau des letzten DDR-Chefs Erich Honecker, ist im Alter von 89 Jahren in Santiago de Chile gestorben. Ein Nachruf.
Unter den Opfern der DDR wird Freitagnacht eine Art mehr oder weniger stille Zufriedenheit eingekehrt sein: Margot Honecker, die prominenteste der noch lebenden DDR-Politiker*innen, ist in ihrer Exilheimat Santiago de Chile an den Folgen eines Krebsleidens gestorben. Sie war in den Augen der von ihr Gepeinigten ein politisches Scheusal, hart wie ein mit Holz überzogenes Wesen aus Stahl und, wenn dieser christlich grundierte Ausdruck nicht fehl am Platze wäre, unbarmherzig in einer Weise, die selbst für realsozialistische Verhältnisse bis in den Kader der SED hinein als ungewöhnlich empfunden wurde. Mit der Aversion, die sich Margot Honecker zuzog, konnte es nur noch ihr Parteigenosse Erich Mielke, Boss der Staatssicherheit, aufnehmen.
Die in Halle an der Saale 1927 als Margot Feist zur Welt gekommene Frau wuchs in einer semiproletarischen Familie auf – Mitglieder der KPD und zugleich unzugänglich für reformerische Politiken wie die der SPD. Margot Feist war zeitlebens das, was Michael Rohrwasser in den siebziger Jahren als kulturellen Kern der proletarisch gesinnten Handlung deutscher Kommunisten umriss: „Saubere Mädel, starke Genossen“.
Die Frau als Genossin: aufrecht, kämpferisch, aber sauber – der Mann als Genosse: stark, hart, kriegerisch. Er der Krieger, sie die Krankenschwester, die sich auf die Wiederherstellung der im Klassenkampf verwundeten verstand. Margot Feist, die während bis zum Ende des Krieges zwar Mitglied im nationalsozialistischen Bund Deutscher Mädel war, aber aus ihrer Familie kommunistische Arbeit im Untergrund – unter anderem als Kurierin – leistete, glaubte an die DDR wie an einen religiösen Staat: Jede Häresie wünschte sie hart bestraft, jeder Dissident galt ihr als Verräter und Schwächling. Ihren Mann Erich lernte sie in der Parteiarbeit früh kennen – als sie eine Tochter, Sonja, mit ihm bekam, musste dieser sich scheiden lassen: Die Partei duldete keine illegitimen Patchworkverhältnisse.
Margot Honecker zog den Hass ihrer Gesellschaft aus naheliegenden Gründen auf sich. Als DDR-Bildungsministerin führte sie in den Siebzigern Wehrkundeunterricht in den Schulen ein. Als für die sogenannten Werkhöfe zuständige Politikerin war sie unzugänglich für Kritik an diesen kerkerhaften Einrichtungen, die der Brechung von straffällig gewordenen Jugendlichen diente. Klagen nach der Wende 1990 tat sie als „Einzelfälle“ ab. Und in puncto Wehrkunde fand sie die Einwände gegen das Training von Handgranatenwürfen irrig: Das sei eine gute Sache für den Fall der Landesverteidigung.
Die Partei, die Partei, …
Andererseits, in gewisser Weise zurecht, war Margot Honecker vielen in der DDR, vor allem in den Jahren danach, eine Heldin, eine Überlebende, die Haltung zu zeigen wusste. In einem Filmportrait Erich Fiedlers sagte sie aus dem chilenischen Exil heraus, der Sozialismus habe verteidigt werden müssen – und dafür, so musste sie verstanden werden, waren auch drakonische Mittel nötig. Honecker wich nie auch nur ein Gran von der zuletzt nur noch imaginierten Parteilinie ab: Die Partei, die Partei, die hat immer recht.
Was sie nicht davon abhielt, nebenbei, sich gewisser Privilegien zu bedienen, die ihr als Spitzenfrau des DDR-Systems gewiss zustanden: heimliche Ausflüge zum Shopping nach Paris, exklusive Möglichkeiten zum Einkauf von qualitativ besserer Westware, das Leben in – ästhetisch zwar fragwürdigen – Siedlungen (Wandlitz) jenseits verrottender Viertel etwa in Ostberlin.
Diese Politikerin, die Tausende von Schüler*innen zu fürchten hatten und dies auch taten, empfand die Erosion der DDR nicht als letztes Wort in Sachen Sozialismus. Der Keim werde eines Tages gewiss wieder aufgehen, hoffte sie gewiss bis zum Schluss. Orthodoxe Realsozialisten, die es in vielen Ländern noch gibt, trauern um eine Frau, die den Aufbau des Sozialismus als Krieg in jeder Hinsicht verstand – gegen den Kapitalismus, erwiesenermaßen auch gegen das eigene Volk: Sie verkörperte auch das, was man als proletarische Ministeriendiva deuten konnte. Eine Deutsche, die nicht das Gute wollte, sondern das Richtige. Das war in der DDR sehr vielen Menschen ein Grund, sich vor ihr sehr konkret zu fürchten.
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