: Zwei Bier zuviel
Sicherheit Aus Sicht der Opposition gefährdet ein freigekommener Sexualstraftäter die Karriere des grünen Justizsenators Till Steffen. Diese fordert unbeirrt seinen Rücktritt
2004wurde Thomas B. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Seit 2008befand er sich in Sicherheitsverwahrung. Mehrfach forderten Gerichte eine Therapie bei bestimmten Therapeuten, mehrfach lehnte dies entweder Thomas B. selbst ab – oder die Therapeuten weigerten sich.
Im April 2015scheiterte erneut ein vom Gericht verfügter Therapieversuch: Der Therapeut lehnte die Anwesenheit des Wachpersonals ablehnt. Die Justizvollzugsanstalt informierte darüber zwar das Gericht, wurde aber nicht weiter tätig.
Im Februar 2016setzte das Landgericht die Sicherheitsverwahrung für Thoms B. aus – unter Hinweis auf die nicht erfolgte Therapie. Nachdem das Oberlandesgericht diesen Beschluss bestätigt hat, kommt B. am 2. Mai frei.
Nur einen Tag späterverstieß er gegen ein ihm auferlegtes Alkoholverbot.
von Marco Carini
Zwei Bier sind manchmal zuviel. Jedenfalls für Thomas B. – der wegen sexuellem Missbrauch von Minderjährigen in fünf Fällen verurteilte Mann musste auf Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) am 2. Mai aus der Sicherheitsverwahrung entlassen werden, weil er nicht rechtzeitig therapiert wurde. Schon tags darauf trank er am Hauptbahnhof zwei Bier und missachtete damit eine Bewährungsauflage.
Was Thomas B. nicht wusste: Er wurde rund um die Uhr observiert. Nachdem die Beamten sich überzeugt hatten, dass dieser nicht nur alkoholfreien Gerstensaft zu sich genommen hatte, wurde er wenige Stunden später festgenommen. Thomas B. kostete das Getränk seine Freiheit.
Dass Thomas B. zuvor auf freien Fuß kam, weil er nicht rechtzeitig in eine therapeutische Maßnahme gesteckt werden konnte, setzt nun Justizsenator Till Steffen (Grüne) unter Druck – die FDP forderte am Mittwoch in der Bürgerschaft erneut seinen Rücktritt. Die Tatsache, dass Thomas B. inzwischen wieder in Untersuchungshaft sitzt, verschafft dem Justizsenator etwas Luft. Doch die könnte schon am heutigen Donnerstag wieder dünner werden, wenn es zu einer Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer kommt. Die hat darüber zu entscheiden, ob Thomas B. weiter in Haft bleibt oder wieder auf freien Fuß kommt.
Das Ergebnis ist ungewiss. „Der Anlass für den Bewährungswiderruf ist eindeutig überzogen“, sagt etwa der Hamburger Jurist Bernd-Rüdeger Sonnen. Die Staatsanwaltschaft, die beantragt hat, die Aussetzung der Sicherheitsverwahrung auf Bewährung zu widerrufen, sieht das anders: Sie empfindet den Verstoß von Thomas B. gegen das gegen ihn verhängte Alkoholverbot schon einen Tag nach seiner Entlassung in aller Öffentlichkeit, als provokatives Signal des 50-Jährigen, seine Bewährungsauflagen keinesfalls zu akzeptieren.
Bernd-Rüdeger Sonnen, JURIST
Kommt Thomas B. frei, bleibt Steffen unter Druck. Dass B. sich seit März diesen Jahres – nach mehreren Anläufen – in Therapie befand, kam für das OLG bei seinem Freilassungs-Beschluss vom 26. April zu spät. Schon ein Jahr zuvor – wenige Tage nach Steffens Amtsantritt – versäumte die JVA Fuhlsbüttel eine Beschwerdefrist – ein Fehler der heute nicht mehr rückgängig zu machen ist. So wird – sofern die Bewährung nicht widerrufen wird – auch die Fortsetzung der begonnenen Therapie nichts an der Freilassung von Thomas B. ändern; Steffen hätte ein Dauerproblem.
Dass der Senator erst spät von dem Vorfall Kenntnis bekam und dann die zeitweilige Freilassung B.s nicht verhindern konnte, kritisierten CDU und FDP in der Bürgerschaft. Steffens Replik blieb dagegen allgemein. Bleibt B. in Haft, ist diese Aufregung vielleicht bald vergessen.
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