piwik no script img

Wo die altenÄpfel wachsen

Artenschutz Meinolf Hammerschmidt hat im Norden Schleswig-Holsteins ein Museum für Apfelsorten aufgebaut. Dort findet man den Geschmack der Kindheit wieder

Entdeckte in Afrika die Bedeutung heimischer Sorten und konserviert sie nun in Angeln: Meinolf Hammerschmidt Foto: Carsten Rehder/dpa

Es gibt tatsächlich Menschen, die eine Allergie gegen bestimmte Äpfel haben. Und zwar häufig gegen die Sorten, die im Supermarkt verbreitet sind. Wenn sie doch mal zu selteneren Sorten wie Geheimrat Dr. Oldenburg griffen! Die seltenen, die historischen Sorten, die hat Meinolf Hammerschmidt mitten in Angeln in seinem Obstmuseum „Pomarium Anglicum“ versammelt. Mehr als 700 sind es, Beerenobst und Birnen kommen noch dazu. Vor 30 Jahren fing der heute 71-Jährige in Sörup damit an, Obstsorten zu sammeln.

Schon zuvor hatte der Lehrer in Afrika dortige Gärtner im Bereich Obstbau beraten. Dort habe sich sein „politischer Antrieb“ entwickelt, sagt er. Im Senegal etwa habe er festgestellt, dass die Einheimischen ganz alte Kulturpflanzen nutzten. „Warum sollte man Früchte aus anderen Erdteilen dagegensetzen? Lasst uns die nehmen, die heimisch sind.“

In seinem Dorf und in Nachbarorten ging er in Schleswig-Holstein dann auf die Suche. „Ich bin mit offenen Augen durch die Gärten gegangen.“ Bei den Schwiegereltern stieß er auf einen 100 Jahre alten Borsdorfer, der heute noch Früchte trägt.

Nach und nach vergrößerte sich Hammerschmidts Apfelgarten. „Als die Leute mitbekamen, dass ich junge Bäume von ihren alten hatte, wollten sie die haben.“ 1991 gründete er mit 13 anderen den Pomologenverein, dem sich Apfelkenner aus ganz Deutschland und dem Ausland angeschlossen haben. Beim ersten deutschen Apfeltag 1992 in Munkbrarup sei er „überrannt“ worden, erinnert er sich: „Das war auch eine politische Geschichte: Wir schaffen alles ab, was gewesen ist. Man sprach damals schon von Gen-Erosion.“ Hammerschmidt wollte gegensteuern.

Die Vereinsmitglieder tragen mit ihrem Jahresbeitrag zum Erhalt der alten Apfelsorten bei. Als zweites Standbein haben sich Hammerschmidt und seine Frau Karin drei Ferienwohnungen ausgebaut. Dort kann man mit Blick auf die alten Bäume Urlaub machen.

Inzwischen kommen Busse mit Landfrauen, Seniorenverbänden und Kirchengemeinden – 3.000 Besucher pro Jahr. An Pfingsten öffnet das Pomarium Anglicum zum ersten Mal in diesem Jahr seine Türen für die Allgemeinheit. Dann werden viele der Bäume in voller Blüte stehen.

In den Themengärten, in denen Hammerschmidt den Weg des Apfels von China über die Seidenstraße in europäische Klöster und Burgen nachvollzieht, finden sich auch skurril klingende Sorten wie der Nonnentitt – eher länglich gewachsen. Eine Kundin, erzählt Hammerschmidt lächelnd, konnte so ihren Vater rehabilitieren, dem früher der Name des Apfels nicht abgenommen worden war. Der Schöne von Herrnhut, der Schleswiger Erdbeerapfel, der Gravensteiner, der Apfel der dänischen Königsfamilie, 1668 von einem Prinzen aus Frankreich mitgebracht – viele alte Sorten blühen in der Frühlingssonne.

Im Herbst kommen manche Menschen auch, weil sie die Äpfel ihrer Kindheit verkosten wollen, berichtet Hammerschmidt. Doch quasi verdorben durch den Geschmack der modernen Supermarktware wären sie dann enttäuscht von den alten Sorten. „Schmeckt doch gar nicht“, heiße es dann, oder „och, der ist ja mehlig.“ Hammerschmidt will die alten Sorten trotzdem erhalten, denn: „Für jeden Apfel gibt‘s einen Grund, dass er entstanden ist.“

Martina Scheffler

Zum ersten Mal geöffnet ist das Pomarium Anglicum in diesem Jahr an Pfingsten. Anmeldungen für Gruppen ab 15 Personen werden jedoch ständig unter Tel. 04635-2745 oder per E-Mail unter hammerschmidt@alte-obstsorten.de entgegengenommen. Dort kann man auch die Ferienwohnungen buchen. Sie kosten – bei Buchung für eine ganze Woche –zwischen 60 und 80 Euro pro Nacht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen