Kommentar AfD-Programm: Ein Echo aus dunkelster Zeit

Religionsfreiheit in Europa ist ein Erbe der Aufklärung. Der antimuslimische Rassismus der AfD sollte nicht als „Islamkritik“ verharmlost werden.

Ein Schild mit der Aufschrift "Gib Islam keine Chance"

Islam als Krankheit? Das Plakat eines Pegida-Anhängers ist an die Aufklärungskampagne gegen Aids angelehnt Foto: dpa

Die Liste der Grausamkeiten ist lang. Die AfD spricht sich für ein Verbot von Minaretten und Muezzinrufen, von Kopftüchern an Schulen und von Ganzkörperschleiern aus. Sie will Koranschulen und Moscheen stärker kontrollieren und ihre Finanzierung aus dem Ausland untersagen – Auflagen, die keiner anderen Religionsgemeinschaft gemacht werden. Auch ein Verbot der rituellen Schlachtung und der Beschneidung von Kindern, wie sie im Islam und Judentum üblich sind, stehen bei ihrem Parteitag in Stuttgart zur Debatte.

Dass einige dieser Ideen schon von Politikern etablierter Parteien vorgebracht wurden, macht sie nicht besser. Umso notwendiger ist es, daran zu erinnern, dass die Religionsfreiheit in Europa ein Erbe der Aufklärung ist und nach Jahrhunderten von Religionskriegen erkämpft wurde. Auch säkulare Linke vergessen das manchmal gerne, insbesondere, wenn sie sich mit Religionen grundsätzlich schwertun. Selbst die Kanzlerin fühlte sich jetzt bemüßigt, angesichts der Forderungen der AfD an Artikel 4 des Grundgesetzes zu erinnern. Denn die Rechtspopulisten wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen, oder genauer: sie wollen eine andere Republik.

Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime hat recht, wenn er sich angesichts der Rhetorik des AfD-Vizes Alexander Gauland, der den Islam als „Fremdkörper“ bezeichnet, an dunkelste Zeiten der deutschen Geschichte erinnert fühlt. Zum ersten Mal seit der Nazi-Zeit gibt es in Deutschland wieder eine Partei, die eine religiöse Minderheit denunziert und die Religionsfreiheit einschränken will. Nichts an diesem Satz ist falsch.

Selbstverständlich sind Muslime heute nicht den Entrechtungen ausgesetzt, wie sie sich die Nazis mit ihren Nürnberger Rassegesetzen für die jüdischen Bürger ausdachten. Und ein Völkermord droht hierzulande auch nicht. Aber Rassismus beginnt nicht erst beim Völkermord. Es gibt viele Parallelen zwischen den heutigen Ressentiments gegen den Islam und dem Antisemitismus von einst. Der hat ja nicht erst 1933 begonnen, sondern eine lange Vorgeschichte.

Zwar sollte man es sich mit der AfD nicht zu leicht machen, indem man die AfD mit den Nazis gleichsetzt. Ihre Ideologie ist anderer Natur: sie verteidigen keine völkisch definierte, sondern eine kulturell imaginierte Volksgemeinschaft. Ihren Rassismus als „Islamkritik“ verharmlosen, wie es viele tun, sollte man aber auch nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.