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Der Wahlkampf ist sicher

2017 Die GroKo hat die Altersarmut von Millionen Bundesbürgerinnen als Kampagnenthema entdeckt. Gut so – wenn konkrete Maßnahmen folgen

Foto: privat
Ursula Engelen-Kefer

Die promovierte Volkswirtschaftlerin war bis 2006 stellvertretende Vorsitzende des DGB und saß bis 2009 im SPD-Vorstand. An dieser Stelle schrieb sie zuletzt über die grüne Deutschland-Rente.

von Ursula Engelen-Kefer

Horst Seehofer ist immer für eine Überraschung gut. Diesmal könnte es eine gute Nachricht für Arbeitnehmer und Rentner sein. Die Riesterrente, sagt er, muss abgeschafft und das Rentenniveau wieder angehoben werden. Finanziert werden soll dies aus einem Anstieg des Steuerzuschusses. Damit kommt zum ersten Mal ein Vorschlag aus berufenem Munde der GroKo, mit dem der drohenden Altersarmut nachhaltig begegnet werden könnte.

Allerdings gibt es einige gravierende Haken: Gesucht und gefunden wurde ein Wahlkampfthema, das zu­allererst von den Querelen der Schwesterparteien CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik ablenken und die herben Verluste des Wahlvolks für die CDU rückgängig machen soll. Die Rentenversicherung ist aber wegen ihrer Komplexität und Bedeutung am wenigsten als Ablenkungs- und Wahlkampfmanöver geeignet.

Bitte keine Schlammschlacht

Hierbei geht es um einen Eckpfeiler unseres Sozialstaats, der das Leben eines großen und steigenden Teils unserer Bevölkerung mit Millionen Rentnern betrifft. Für die Rentner, die Rentenversicherung und die Gesellschaft insgesamt wäre es fatal, wenn die durch Beiträge von jahrzehntelanger harter Arbeit erworbenen Rentenansprüche in wahltaktischen Schlammschlachten zerrieben werden. SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel versucht Seehofer lautstark mit der Forderung nach einer grundlegenden Rentenreform zu übertreffen. Der Nachweis für die Glaubwürdigkeit dieser erneuten Wende in seiner Rentenpolitik – vor dem Hintergrund dramatisch schlechter Wahl- und Umfrageergebnisse – steht allerdings noch aus. Vor allem muss er dann seine Enthaltsamkeit bei der Abschaffung der Riesterrente, der Wiederanhebung des Rentenniveaus sowie zusätzlichen Steuern auf hohe Einkommen, Vermögen, Kapitalerträge und Erbschaften aufgeben. Dies sind entscheidende Schritte, wenn die SPD ihren Anspruch als Partei der sozialen Gerechtigkeit aufrechterhalten will.

Die trotz der gegenwärtigen guten Entwicklung von Wirtschaft und Einkommen und trotz Rentensteigerungen drohende Altersarmut ist seit Jahren bekannt und hätte von der GroKo längst aufgegriffen werden müssen. Im Koalitionsvertrag ist die Bekämpfung der Altersarmut zwar als Zielsetzung der GroKo ausdrücklich genannt, jedoch wird dabei lediglich auf eine vage solidarische Lebensleistungsrente abgestellt. Da als Termin hierfür das Jahr der nächsten Bundestagswahlen 2017 genannt wird, kommt dies eher einer „Beerdigung erster Klasse“ gleich.

Merkel weiter neoliberal

Nach den diesbezüglichen Vorstellungen der Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD sind die bisher bekannten Konzepte mit hohen Hürden für den Zugang bei der beitragspflichtigen Beschäftigung sowie dem Nachweis einer privaten oder betrieblichen Altersversorgung verbunden. Zudem werden sie auf die Grundsicherung angerechnet. Die betroffenen Menschen, vor allem Rentnerinnen, können somit am wenigsten in den Genuss einer derartigen Lebensleistungsrente kommen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die politische Handreichung, von der Flüchtlingspolitik abzulenken, gern aufgegriffen. Auch sie will die Rentenpolitik zu einem zentralen Thema im Bundestagswahlkampf machen. Im Gegensatz zu Seehofer will sie dies allerdings nicht mit der Erhöhung des Rentenniveaus, sondern mit dem Aufbau der privaten Zusatzrenten verbinden. Damit würden die Ungerechtigkeiten und die Aushöhlung der gesetzlichen Altersversorgung fortgesetzt.

Bis heute ist es nicht gelungen, die Undurchsichtigkeit der privaten Zusatzversorgungssysteme sowie die teilweise skandalös hohen Gebühren zu durchbrechen. Unseriöse und unhaltbare Versprechungen der privaten Finanzbranche über angebliche Renditen der privaten Vorsorgeleistungen schrecken gerade gering verdienende Menschen vor privaten Kapitalanlagen zur Alterssicherung ab.

Bestehen bliebe der entscheidende Sündenfall der Riesterrente, die Aushöhlung der paritätisch finanzierten gesetzlichen Rentenversicherung zu Lasten der Arbeitnehmer. Nicht nur müssen sie die Riesterrente zusätzlich zu ihren Beiträgen für die gesetz­liche Altersrente bezahlen; auch erfolgt gleichzeitig ein massiver Abbau der paritätisch von Arbeitgebern mitfinanzierten gesetzlichen Altersrenten.

Geht es nach Merkel, wird die Aushöhlung der gesetzlichen Alters­versorgung fortgesetzt

Dafür wurden die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gedeckelt, auf 20 Prozent 2020 und 22 Prozent 2030. Entsprechend gesenkt wird das Niveau der gesetzlichen Altersrenten, von etwa 54 Prozent Netto vor Steuern 2001 auf derzeit unter 48 Prozent. Bis 2030 wird ein weiterer drastischer Abfall auf 43 Prozent erfolgen. Nach Hochrechnungen von Löhnen und Rentenleistungen könnte bis 2030 für etwa die Hälfte der Altersrenten ein Absturz auf Sozialhilfeniveau erfolgen.

Gespaltene Gesellschaft

Auch nach 15 Jahren stagnieren die Riesterrenten bei etwa der Hälfte der Arbeitnehmer. Darüber hinaus erfolgt eine weitere Spaltung in der Gesellschaft. Vor allem Besserverdienende mit höheren Ansprüchen an gesetzliche Alters- und zusätzliche Betriebsrenten haben Riesterverträge abgeschlossen. Dabei können sie von der öffentlichen Förderung durch Steuersubventionen am meisten profitieren. Hingegen haben diejenigen mit geringen Löhnen und Renten weder eine betriebliche Altersversorgung noch eine private Riesterrente. Trotz der öffentlichen Förderung haben sie am wenigsten finanzielle Spielräume. Ihnen bleibt im Alter nach oft jahrelanger harter Arbeit nur der Gang zum Sozialamt. Dies gilt vor allem für viele Frauen.

Wenn Seehofer es mit seiner Volte gegen die „neoliberale ­Rentenpolitik“ ernst meint, muss er alle politischen Register ziehen, um noch vor den Bundestagswahlen im September 2017 eine derartige große Rentenreform auf den Weg zu bringen. Dann wäre dies eine gute Botschaft für viele Arbeitnehmer und Rentner. Zu finanzieren ist dies durch eine belastungsgerechte Steuerpolitik und einen Abbau der hohen Steuersubventionen für private Zusatzrenten. In jedem Fall ist zu verhindern, dass Rentner gegen Flüchtlinge ausgespielt werden.

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