: Asyl gegen Information
Geheimdienste Noch immer nutzen deutsche Sicherheitsbehörden Flüchtlinge als Quelle
Die Bundesregierung bestätigt zudem, dass die Flüchtlinge, die mit Geheimdiensten und Polizeibehörden kooperierten, im Gegenzug Asyl bekamen. Fast 1.000 dieser „Interventionsfälle“ gab es in den vergangenen 15 Jahren. Bis 2013 lief die Rekrutierung über die Hauptstelle für Befragungswesen (HBW), einer Dienststelle des BND. Das Ziel war, die „Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren“, erklärte die Bundesregierung 2013 in einer Fragestunde zum Thema. Es sei „das legitime Recht eines jeden souveränen Staats, Personen sicherheitlich zu befragen, die in diesem Land einen Aufenthalt begehren“, heißt es weiter.
Bis 2013 fanden pro Jahr 500 bis 800 Vorgespräche mit Flüchtlingen statt, 200 bis 300 Personen wurden anschließend intensiver befragt. Nach aktuellstem Stand war nicht nur der BND damit befasst, sondern auch BKA, Bundespolizei, Zoll und Verfassungsschutz.
Wenn Geflüchtete für sie interessante Informationen liefern konnten oder als Quellen angeworben wurden, baten die Sicherheitsbehörden das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) darum, ihnen Asyl zu gewähren. Von 2000 bis 2013 sind dem Flüchtlingsamt 850 Fälle gemeldet worden, in denen es zuvor „nachrichtendienstlichen Kontakt“ mit dem BND und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gegeben hatte. Fast allen Informanten gewährte das Bamf daraufhin Asyl.
Im Jahr 2014 wurde die HBW aufgelöst. Damit hätte auch die umstrittene Rekrutierung von Flüchtlingen als Informanten ein Ende haben können. Seitdem habe es keine „verdeckten Befragungen in Erstaufnahmeeinrichtungen“ mehr gegeben, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Durch das BfV gebe es nur in Einzelfällen „anlassbezogene Kontaktaufnahmen“ mit Asylsuchenden. Dazu gibt es jedoch keine Statistiken. Eine Zahl ist allerdings bekannt. Sie belegt, dass noch immer Informanten rekrutiert werden. 2014 und 2015 wurden dem Bamf neun Personen gemeldet, mit denen es zuvor „nachrichtendienstlichen Kontakt“ gab. Sie alle kamen aus dem Nahen oder Mittleren Osten.
„Es ist fragwürdig, wenn Geflüchtete in einer Zwangssituation noch in der Erstaufnahmeeinrichtung Besuch vom Geheimdienst bekommen“, kritisiert die Linkspartei-Abgeordnete Martina Renner. Die Asylsuchenden würden unter Druck gesetzt, wenn sie suggeriert bekämen, dass „Kooperation zu einem sicheren Aufenthaltsstatus führt“. Zudem sieht sie die „sehr intransparente“ Rekrutierung von Informanten durch Behörden auf Landesebene problematisch. „Ein einziger Polizist kann darüber entscheiden, ob ein Flüchtling zum Interventionsfall wird oder nicht.“ Das konterkariere die Schutzpflicht des Landes. HANNAH WEINER
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