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„Das geht so nicht!“

LagesoDer Senat habe die Regeln für die Vergabe von Aufträgen gleich mehrfach verletzt, kritisiert die grüne Fraktionschefin Antje Kapek. Von Filz will sie nicht sprechen

Interview Bert Schulz

taz: Frau Kapek, erneut werden Vorwürfe laut gegen den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD). Er soll einen Auftrag am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) einem SPD-Genossen zugeschanzt haben. Das ist doch ein Geschenk für die Opposition!

Antje Kapek: Na ja. Es ist vor allem eine schwierige Situation für Berlin, wenn der Regierende Bürgermeister meint, dass der Notstand so groß ist, dass Aufträge frei Hand, also ohne Ausschreibung, vergeben werden können. Jetzt ist es Aufgabe der Opposition, den Finger in die Wunde zu legen und für maximale Aufklärung zu sorgen: Hier wurden vom Senat Verfahrensregeln missachtet. Das geht so nicht!

Ist denn eindeutig festgelegt, wann es eine Ausschreibung geben muss und wann nicht?

Ja. Es gibt dafür klare Regeln, an die man sich zu halten hat – sowohl für die Ausschreibung als auch für die Information des Parlaments. Beides wurde in den bisher bekannt gewordenen Fällen nicht eingehalten. Dazu kommt: Die bisherigen Antworten der Senatskanzlei in Sachen Vergabe waren unbefriedigend. Wieso wird jetzt argumentiert, am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) habe es einen Notstand gegeben, wenn sich Müller trotz mehrfacher Aufforderung dagegen gewehrt hat, diesen offiziell auszurufen? Dann hätte man dort ganz anders agieren können.

Mehren sich aus Ihrer Sicht die freihändigen Vergaben solcher Aufträge?

Derzeit scheint sich das ja auf das Lageso zu beschränken. Aber wir werden untersuchen müssen, ob das Ganze System hat.

Was haben die Grünen vor?

Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden parlamentarischen Mittel zur Aufklärung nach den Osterferien nutzen.

Antje Kapek

39, ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und eines der vier Aushängeschilder der Partei im kommenden Wahlkampf.

Die Senatskanzlei hat die Vorwürfe des Tagesspiegels energisch dementiert. Für die Vergabe des kritisierten Auftrags sei der CDU-Sozialsenator Mario Czaja zuständig gewesen, dem das Lageso untersteht.

Das reicht mir nicht als Argument. Der Senat ist ein Kollektivorgan, deswegen ist letztlich egal, welcher Senator zuständig war oder ist. Zudem stimmt das Dementi so nicht: Auch Müller hat Vergabegespräche geführt. Ich würde bisher aber nicht so weit gehen, dem Regierenden eine Vergabe nach Parteibuch vorzuwerfen. Dafür müssen wir den Fall noch genauer untersuchen. Aber die Art und Weise, wie die Vergabe ablief, ist schwierig.

Der CDU-Generalsekretär spricht bereits von „Filz“. Sie auch?

Mit Filzvorwürfen zu hantieren finde ich problematisch. Uns geht es weiterhin vor allem um die Art der Vergabe. Und ich möchte mich nicht in das üble Spiel zwischen SPD und CDU einschalten. Was CDU-Generalsekretär Kai Wegner und SPD-Landeschef Jan Stöß ....

... der mit Blick auf CDU-Senatoren von „Totalausfällen“ gesprochen hat ...

.... derzeit betreiben, ist bedenklich und verantwortungslos. Die Koalition sollte re­gieren und sich nicht gegenseitig mit Schlamm bewerfen. Aber es scheint, als haben wir keine funktionierende Regierung mehr.

Senat verteidigt Freihandvergabe

In Medien sind erneut Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) erhoben worden, weil er ein Hilfsangebot der Firma Arvato zur Digitalisierung von Flüchtlingsakten an die Sozialverwaltung weitergeleitet hatte. Für Arvato arbeitet der SPD-Mann und frühere Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Volker Halsch. Medien mutmaßten, hier sei ein lukrativer Auftrag ohne Ausschreibung an einen SPD-Mann vergeben worden.

Sowohl Müller wie auch Sozialsenator Mario Czaja (CDU) haben Kritik an der Auftragsvergabe an Arvato zurückgewiesen. Die Notsituation angesichts der langen Warteschlangen von Flüchtlingen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) sei so groß gewesen, dass eine freihändige Vergabe des Auftrags an Arvato gerechtfertigt gewesen sei.

Erst kürzlich gab es Kritik in Medien und von der Opposition, dass Müller und sein Senatskanzleichef Björn Böhning (SPD) dem früheren Berliner Staatssekretär Lutz Diwell (SPD) einen lukrativen Beraterjob bei McKinsey zugeschanzt hätten. Auch das hatte die Senatskanzlei dementiert. (dpa, taz)

Vorwürfe der Vetternwirtschaft wiegen schwer. Die Grünen würden gern nach der Wahl regieren, eher mit der SPD als mit der CDU. Hält man sich da zurück mit Beschuldigungen?

Nö. Wir haben auch nicht gesagt, dass wir mit einer Partei regieren wollen. Wir wollen ein starkes Ergebnis holen am 18. September.

Ist Müllers Ansehen jetzt schon beschädigt?

Das müssen letztlich die Wäh­lerinnen und Wähler entscheiden. Aber Berlin hat laut einer Umfrage die unbeliebteste ­Landesregierung in Deutschland. Das spricht ja doch für sich.

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