Kai Schöneberg über die Zinswetten der Kommunen vor dem BGH: Hoch gepokert, teuer bezahlt
Hückeswagen, Ennepetal, Pforzheim, Meuselwitz: Dutzende Städte glaubten in den nuller Jahren, dass sich mit ein bisschen Cent-Zauberei Zinszahlungen „optimieren“ – also senken – ließen. Mit den verlockend klingenden „Swaps“ schlossen die Finanzdezernenten der Kommunen eine Wette auf das künftige Kursverhältnis zwischen Euro und Franken ab. Wahrscheinlich hatten viele Kämmerer zuvor noch nie von dem Finanzvehikel gehört, von dem ihnen ihr Bankberater da vorschwärmte. Alles klang topsolide und bombensicher – war es am Schluss aber natürlich nicht.
Der Schaden aus den hochriskanten Geschäften mit den Derivaten wird heute auf Hunderte Millionen Euro geschätzt. Auch Privatiers und Unternehmen verzockten sich. Und nicht nur die nordrhein-westfälische Stadt Hückeswagen fühlt sich falsch beraten – und klagte sich sogar bis zum Bundesgerichtshof.
Dabei hatte alles so einfach ausgesehen: Die Swaps galten vielen in der Präfinanzkrisenära als Goldesel, ähnlich wie Kreditausfallversicherungen oder Fremdwährungskredite, die heute als nicht mehr ganz so unbedenklich gelten. Die WestLB und auch die Deutsche Bank verkauften die Swaps mit wachsender Begeisterung, da sie nicht nur Berater waren, sondern bei dem Deal auch verdienten. Neben dieser Interessenverquickung gingen viele Kommunen einfach zu gutgläubig an die Sache heran – oder zu geldgierig. Heute sind sie unter anderem verpflichtet, bei solchen Geschäften ihr Risiko zu streuen.
Wer ins Casino geht, darf sich nicht wundern, wenn er mit leeren Händen wieder herauskommt. Das trifft auch auf Hückeswagen zu. Allein in diesem Fall geht es um 20 Millionen Euro Verlust für die Stadtkasse. Sich dabei auf Falschberatung zu berufen, ist zu einfach. Angemessen wäre, Verantwortung zu übernehmen und faire Konsequenzen zu ziehen. Dafür ist es leider zu spät: Der Bürgermeister von damals ist schon nicht mehr im Amt.
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