piwik no script img

Per Briefwahl zu einem neuen Kabinett

LIBYEN Großbritannien und Frankreich erhoffen sich nun eine Einladung zum Kampf gegen den IS

VON Mirco Keilberth

BERLIN taz | Der UN-Sicherheitsrat hält die Einheitsregierung von Fajis Sarraj für die einzige legitime Vertretung Libyens. Damit scheint ein über 18-monatiger Friedensprozess erfolgreich zu Ende gegangen zu sein. Doch die Machtübergabe von den beiden konkurrierenden Parlamenten und Regierungen in Ost- und Westlibyen an Premier Serraj steht in den Sternen.

Die UNO ist aufgrund der Expansion des „Islamischen Staates“ (IS) von ihrer selbst ausgehandelten Bedingung abgewichen, dass die Abgeordneten des Repräsentantenhauses in Tobruk mit mindestens 94 Stimmen das Kabinett von Sarraj absegnen müssen.

Im Osten Libyens sträubt man sich, die Kontrolle über die Zentralbank und die Ölagentur NOC in das 1.000 Kilometer entfernte Tripolis zu geben. Dort hat eine Allianz aus Muslimbrüdern, Salafisten und Al-Qaida-Veteranen das Sagen. Parlamentspräsident Agila Saleh hatte die Abstimmung immer wieder verzögert. Nun dürfte er wie General Khalifa Hafter auf einer Sanktionsliste der EU oder UNO landen. Der General, in der an Ägypten grenzenden Provinz Cyreneika als Gewinner des Kampfes gegen den IS respektiert, ist wie Saleh einer der Verlierer des Abkommens.

Westliche Diplomaten fürchten, dass der Osten mit Hafter unter Kontrolle Ägyptens geraten könnte. Mit der einseitigen Ausrufung der Einheitsregie­rung haben die Diplomaten Ab­spaltungstendenzen eher verstärkt. Nach dem Erfolg gegen die Extremisten zeigt man sich in Bengasi weniger denn je bereit, dass die Zentralbank und alle Ministerien vom Westen des Landes aus kontrolliert werden, obwohl die größten Ölvorräte südlich von Bengasi liegen. Mangels Parlamentsabstim­mung griffen die Diplomaten zu einem Trick. In einem Brief forderte Parlamentsvize al-Huni seinen Chef Saleh auf, dem Wunsch von 100 Abgeordneten nach Anerkennung der Einheitsregierung nachzugeben. 94 Stimmen wären ausreichend im Rahmen einer formalen Abstimmung. Doch UNO und EU wollen keine Zeit verlieren und geben sich mit dem Brief zufrieden.

Die Expansion des IS soll durch britische und französische Spezialeinheiten gestoppt werden. Während die rivalisierenden Regierungen eine ausländische Intervention ablehnen, erhofft man sich von Premier Sarraj eine offizielle Einladung. Die wäre in seinem Interesse, denn ausländische Soldaten müssten ihn vor den Extremisten schützen. Vorerst arbeitet er zur Sicherheit im Exil in Tunis.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen