Fast ein bisschen grell

Design Auch in der DDR sorgten Schallplattenhüllen mit gewissen Einschränkungen für etwas Farbe im Alltag. Was da so möglich war an Gestaltung, ist im Museum der Dinge in einer DDR-Gebrauchsgrafik-Schau zu sehen

von Thomas Mauch

Man kann ihn immer noch spüren, den Zustand der DDR. Mit den Fingern fühlen.

Dafür muss man nur eine Schallplattenhülle aus der volkseigenen Produktion zur Hand nehmen und prüfen, wie der dünne und wahrscheinlich längst abgestoßene Karton gerade so eben seinen Zweck erfüllt. Das Material: bestenfalls knapp vor schäbig. Wenn auch nicht so jämmerlich wie manchmal die Plattenhüllen in den bruderstaatlichen Notökonomien Rumänien oder Bulgarien.

Auch in Schallplattenhüllen spiegelt sich die Lage der DDR.

Und man muss nur mal schauen, was da alles an Gestaltung möglich war. Gelegenheit genug findet sich in den Trödelkisten bei den Plattenhändlern oder auch in der „Masse und Klasse“-Schau im Museum der Dinge, bei der die Gebrauchsgrafik in der DDR auch mit Plattenhüllen präsentiert wird.

Und was halt gar nicht ging. Die Mauer etwa, ein damals recht signifikantes Bauwerk in Berlin, wird man auf einem DDR-Plattencover nicht finden. Anderes Missliebiges hat man einfach weggelassen. Wie das Bild von Detlef Kessler auf der Hülle von Grönemeyers „Bochum“-Album, das auch in der DDR veröffentlicht wurde. Der Schlagzeuger der Grönemeyer-Band hatte Ende der Siebziger in die BRD rübergemacht. Für die DDR gab es ihn so einfach nicht mehr.

Prinzipiell hätte man in der DDR natürlich das mit den Bildern auf den Covern gleich ganz weglassen können. Wie man das ja überall noch zu Schellackzeiten gemacht hat, als die Scheiben schlicht in neutrale Papierhüllen gesteckt wurden. Ein individuell gestaltetes Albumcover gab es erstmals 1940 – in den USA. Und weiter in der Schallplattengeschichte waren die gestalteten Cover dann eben eine prima Werbemaßnahme in den Plattenläden. „Schau her“, sagten sie, und „Nimm MICH mit!“

Wirklich gebraucht in der Zuteilungsgesellschaft DDR aber hätte man solche Lockung nicht, wo es ja noch nicht einmal eine richtige Hitparade gab und nicht den kapitalistischen Druck mit immer neuen Platten, die auf sich aufmerksam machen mussten.

Aber man wollte halt überall mitspielen in der DDR. Irgendwann gönnte sie ihren Bürgern sogar den Rock, auch auf Schallplatten, mit durchaus bunten Covern. Nicht ganz so schick vielleicht wie das Cover des „Stg. Pepper“-Albums der Beatles, das das Pop-Art-Künstlerpaar Peter Blake und Jann Haworth gestaltete. Auf die Idee, bei den Staatskünstlern wie Werner Tübke oder Willi Sitte nachzufragen, ob sie nicht mal was Nettes für die Puhdys, die renommiertesten Ost-Rocker, zu malen, kam man in der DDR nicht.

Das Design war beim Amiga-Staatslabel Aufgabe der firmeneigenen Gestaltungsabteilung, wo die Designer das erledigten, was so zu erledigen war. Cover für Schlagerplatten, für Jazz, für den Rock.

Kosmos der DDR-Grafik

Für das zweite Puhdys-Album (Abb. 1) hat Felix Büttner dabei die fünf Musiker als Comicfiguren dargestellt, drumherum finden sich ein Stern (rot), ein Schmetterling und Kugelformen, so eine Art Kosmos skizzierend. Wobei der Schmetterling mit den einem der Musiker angehefteten Flügelformen nochmals aufgenommen ist, was eine Leichtigkeit zeigen soll. Und dass man hier ein schönes Stück Farbe in seinen Alltag tragen darf mit der Platte.

Interessant hier die Kreisformen. Direkter Verweis auf den Inhalt, die Schallplatte. Sich immer rundende Vollkommenheit in der Form. Zynischerweise mag man auch sagen: Symbol, dass man gar nicht rauskommt aus dem System.

Sie findet sich häufig, die Form: Auf dem Cover fürs erste Album der Klaus Renft Combo (Abb. 2), gestaltet von Klaus Vonderwerth, bei der (musikalisch übrigens empfehlenswerten) Sampler-Reihe „Hallo“ (Abb. 3), bei denpop-artigen Schnörkeln bei der Theo Schumann Combo (Abb. 4), wieder von Vonderwerth gestaltet.

Die Covergestaltung in der DDR wurde sogar mal auf einem Cover thematisiert, in einem fingierten Gespräch, rückseitig abgedruckt auf der Manfred-Krug-LP „Das war nur ein Moment“ (Abb. 5): mit der Frage an den Designer Lothar Reher, ob das Cover „nicht ein bisschen grell“ geraten sei. Wozu Reher dann nichts mehr einfällt.

Die Beatles-Frage hat man in der DDR übrigens ansprechend gelöst. So wie die Beatles, die Kultur aussendend, im Strahlenkranz stehen bei der Amiga-LP „1967-1970“ (Abb. 6). Monika Prust hat die Hülle gestaltet.

Hier doch mal: Weltniveau.

Masse und Klasse in der DDR

The Beatles: „1967–1970“, 1980

Manfred Krug: "Das war nur ein Moment", 1971

Theo Schumann Combo, 1. Album, 1969

Dass die DDR doch ein wenig mehr war als immer nur grau, kann in einer Ausstellung im Museum der Dinge überprüft werden. Gezeigt werden in der "Masse und Klasse"-Schau Gestaltungen für Bücher, Zeitschriften und eben auch Schallplatten sowie Produktverpackungen, Reklame und Plakate – also die Palette der gebrauchsgrafischen Arbeiten, die den visuellen Alltag in der DDR prägten. Exemplarisch will die Schau Akteure und Arbeitsstrukturen vorstellen – und den Möglichkeiten und Grenzen des Grafikdesigns in der DDR nachspüren. Schließlich musste sich auch das Design den politischen Forderungen genauso wie einer knappen Ressourcenlage stellen. (tm)

Nr. 1 der Hallo-Serie, 1972

Klaus Renft Combo, das 1. Album, 1973

Puhdys, das 2. Album, 1975

"Masse und Klasse. Gebrauchsgrafik in der DDR": Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Oranienstr. 25. Bis 3. Juli, Eröffnung Mittwoch, 16. März, 19 Uhr