piwik no script img

Als HamburgOle wurde

29. Februar 2004 Der Tag der Schicksalswahl, als Freiherr Ole von Beust die absolute Mehrheit errang

Selten entschieden sich an einem einzigen Tag so viele politische Schicksale wie am 29. Februar 2004. Gleich drei Parteien flogen aus der Bürgerschaft und eine errang die absolute Mehrheit – eigentlich eher ihr Spitzenmann allein. Es war der Tag, als Bürgermeister Ole von Beust, dessen Wahlkampf unter dem schlichten Motto „Michel.Alster.Ole.“ inszeniert worden war, zum „Olemeister“ wurde, wie die taz ihn nach seinem beispiellosen Erfolg zu taufen sich erlaubte.

Die Taktik einer „Bürgermeisterwahl“, zu der die CDU den Urnengang nach dem Scheitern der Schwarz-Schill-Koalition stilisiert hatte, war aufgegangen. Der grandiose Sieg des „Programms Ole“ mit 47,2 Prozent der Stimmen und 63 von 121 Mandaten war von historischer Dimension. Zum ersten Mal nach 20 Jahren regierte in Hamburg wieder eine Partei mit absoluter Mehrheit, und zum allerersten Mal war es die CDU.

Damit setzte sich die Umwälzung politischer Verhältnisse fort, die 2001 mit der Ablösung der SPD nach 44-jähriger Dauerherrschaft begonnen hatte. Und zwar auf Kosten früherer Helfershelfer: Ronald Schills ursprüngliche Partei Rechtsstaatlicher Offensive, die neue Schill-Partei Deutsche Mitte und auch die FDP wurden wieder vor die Rathaustür geschickt. Die Männer mit den einfachen Antworten mussten zurück an die Biertische, von denen sie kamen. Die Ängste aber und die gesellschaftlichen Befindlichkeiten, die sie in das Parlament und den Senat gespült hatten, waren damit nicht verschwunden. Ole von Beust war es lediglich gelungen, sie zeitweise zu kanalisieren. Heutzutage treiben sie, zum Beispiel in Gestalt des langjährigen Schillianers Dirk Nockemann, in der AfD wieder ihr Unwesen.

Wer aber auf dem Gipfel der Macht steht wie seinerzeit Carl-Friedrich Arp Freiherr von Beust, genannt Ole, weiß oder muss es schmerzlich erfahren, dass von nun an alle Wege bergab führen. „Es gibt überhaupt keinen Grund zur Großkotzigkeit“, warnte der damals 48-Jährige bereits am Wahlabend seine Partei – und machte kurzerhand selbst den ersten Fehler. Schnellstmöglich brachte er den Ausverkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser an den Klinikkonzern Asklepios über die Bühne – obwohl parallel zur Wahl der Volksentscheid „Gesundheit ist keine Ware“ eine klare Mehrheit erreicht hatte. Wegen einer Gesetzeslücke waren Volksentscheide damals noch unverbindlich, und so missachtete der Bürgermeister, der gerade mit überwältigender Mehrheit im Amt bestätigt wurde, eine Sachentscheidung desselben Volkes, weil sie ihm nicht passte.

Wer auf dem Gipfel der Macht steht, weiß oder muss schmerzlich erfahren, dass von nun an alle Wege bergab führen

Denn Ole von Beust in seiner Absolutheit konnte alles allein machen. Und wurde dafür zu Recht allein verantwortlich gemacht. Sven-Michael Veit

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen