piwik no script img

PortraitTheatermann im Exil

Floh vor dem syrischen Geheimdienst: Anis Hamdoun  Foto: dpa

Die Bühne ist sein Leben, und das Leben seine Bühne: Anis Hamdoun ist Theatermann, Regisseur, Intellektueller – und syrischer Flüchtling. Seit er denken kann, spielt sich sein Leben im Scheinwerferlicht ab. Wie sollte es anders sein, wenn man aus einer Familie von Künstlern, Schauspielern und Kommunisten kommt? „Ich verstehe nur Kunst“, sagt er. Trotzdem studierte er Chemie, einfach um am Ende einen Bachelorabschluss zu haben. In seiner Heimatstadt Homs drehte er nebenbei Dokumentarfilme, porträtierte berühmte Theaterschauspieler, arbeitete selbst am Theater und gab Englischunterricht. Dann kam der Krieg.

Hamdoun wurde angeschossen und verlor sein linkes Auge. Er floh nach Damaskus, wo er sechs Monate blieb, bis seine Wunden heilten. Zu dieser Zeit verhaftete der syrische Geheimdienst einen guten Freund – auf der Suche nach Hamdoun. Der Syrer wusste, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sie ihn fänden. Plötzlich wurde sein Leben zur Odyssee. Im Jahr 2012 floh er nach Ägypten, wollte weiter nach Europa. Über ein Jahr sollte es dauern, bis er ein Visum für Deutschland in den Händen hielt.

Seitdem lebt der 30-Jährige in Osnabrück. Er absolvierte ein Praktikum im Stadttheater, schrieb zwei Theaterstücke, und jetzt dreht er gerade Kurzfilme für die Caritas. Es stört ihn, dass Flüchtlinge in den Medien als ohnmächtige, arme Menschen dargestellt werden. Er möchte sie auf Augenhöhe zeigen: „Sie können viel zu diesem Land beitragen. Sie haben Energie.“

Genau wie er selbst. Hamdoun unterrichtet mittlerweile selbst Deutsch an einer Berufsschule für Flüchtlinge und steht auch wieder als Schauspieler auf der Bühne. Eines Tages möchte er vielleicht zurück nach Homs, um den Wiederaufbau mitzuerleben – und um dort wieder Theater zu machen. Anna Gröhn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen