: Warnung vor dem Volke
REFERENDUM II Zu undifferenziert, polarisierend, und Probleme löst’s auch nicht: Linke rät von einer Volksinitiative zur Flüchtlingsunterbringung ab
Die Linksfraktion in der Bürgerschaft hat dem Dachverband „Initiativen für erfolgreiche Integration“ (IFI) dringend davon abgeraten, zum Thema Flüchtlingsunterbringung eine Volksinitiative zu starten. Die nämlich, so Fraktionschefin Cansu Özdemir gestern, „löst keine Probleme, sondern droht Kräfte zu mobilisieren, die niemand mehr kontrollieren kann“.
Zwar unterstütze Die Linke die IFI-Forderung nach einer dezentralen Unterbringung anstelle von Flüchtlingsgroßsiedlungen, bekräftigte Özdemir. Andererseits dürfe aber nicht ignoriert werden, dass die Stadt die Aufgabe habe, „für die neuen Hamburger Wohnungen zu bauen“. Den vom Senat anvisierte Bau von 5.600 Wohnungen für Flüchtlinge in diesem Jahr unterstützt Die Linke demnach ausdrücklich, sagte Özdemir. Rot-Grün müsse aber endlich für Transparenz und Bürgerbeteiligung bei der Planung von Neubausiedlungen sorgen.
Aus Sicht von Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, könnte die Mobilisierung für einen undifferenzierten Volksentscheid zu einer weiteren Polarisierung in der Gesellschaft führen: „Eine nur mit ,Nein‘ oder ,Ja‘ zu beantwortende Volksinitiative birgt die Gefahr, in der öffentlichen Diskussion letztlich auf die Frage ,Für oder gegen Flüchtlinge‘ zugespitzt zu werden“, sagte sie. Auch wenn sie sich öffentlich gegen rechts abgrenzten: Die Initiatoren hätten es dann nicht mehr in der Hand, welche Kräfte in einer Kampagne mobilisiert werden.
Grundlage aller Diskussionen müsse sein, „dass die Stadt alle rechtlichen und humanitären Verpflichtungen für eine menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten in vollem Umfang nachkommt“, so Schneider „Angesichts der Wohnungsnot heißt das: Es muss gebaut, gebaut, gebaut werden.“
Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Heike Sudmann attestierte dem rot-grünen Senat immerhin Fehler bei der Suche nach neuen Arealen für den Wohnungsbau. Den Bezirken seien keine Kriterien an die Hand gegeben worden, welche Standorte ausgewählt oder verworfen wurden oder welche alternativen Flächen es noch gebe.
Zudem äußerte Sudmann den Verdacht, „dass Flüchtlinge benutzt werden, um Stadtentwicklung auf Flächen durchzusetzen, die bislang als nicht bebaubar galten“. Wenn der Senat dafür sorge, dass es an den neuen Standorten Infrastruktur für die Anwohner wie auch zur Integration der Geflüchteten gebe, würden auch die Bedenken abflauen, so Sudmann weiter: „Der rot-grüne Senat hat es selbst in der Hand, den Volksentscheid zu verhindern.“
Kai von Appen
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