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Miserable Navigation bei Undercover-Einsatz im Camp

Israel/Palästina Zwei Soldaten verirren sich mit ihrem Fahrzeug und lösen ein Feuergefecht aus

Derzeit sitzen 7.000 Palästinenser in Israels Gefängnissen

KALANDIA afp/taz | Weil zwei israelische Soldaten angeblich aus Versehen in ein palästinensisches Flüchtlingslager im besetzten Westjordanland fuhren, ist es dort in der Nacht zum Dienstag zu schweren Zusammenstößen gekommen. Ein Palästinenser wurde erschossen, Dutzende Menschen erlitten Verletzungen.

Wie Armeesprecher Moti Almos erklärte, hatten sich die beiden Soldaten auf dem Weg zum Armeestützpunkt Bet El vor Ramallah auf die führende israelische Navigations-App Waze verlassen. Dabei seien sie irrtümlich in das Lager Kalandia geraten. „Waze ist ein hervorragendes Hilfsmittel, hat aber seine Grenzen“, erklärte Almos.

Das Geländefahrzeug der Armee wurde im Lager mit Molotowcocktails angegriffen und in Brand gesetzt, erklärte der Armeesprecher. Mehr als ein Dutzend palästinensische Jugendliche verwickelten die beiden Soldaten auf der Flucht in ein dreistündiges Feuergefecht, in dessen Verlauf der 22-jährige Iyad Omar Sajadijja mit einem Kopfschuss getötet wurde. Erst dank eines Großaufgebots der Armee unter Einsatz von Hubschraubern und Bulldozern konnten die Soldaten aus dem Lager geborgen werden. Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmondes wurden 12 weitere jungen Männer mit Schussverletzungen in umliegende Krankenhäuser gebracht. Die israelische Seite beklagte einen schwerverletzten und mehrere leicht verletzte Soldaten.

Im Flüchtlingslager Kalandia, das unmittelbar am gleichnamigen Checkpoint vor Jerusalem liegt, führt die Armee immer wieder nächtliche Razzien durch, um junge Palästinenser festzunehmen. Seit vergangem Herbst sind in Kalandia zehn Jugendliche von der Armee bei Einsätzen und Protesten erschossen worden. Bei der jüngsten Gewaltwelle in Israel und den Palästinensergebieten sind seit Anfang Oktober insgesamt 178 Palästinenser, 28 Israelis sowie je ein US-Bürger, ein Eritreer und ein Sudaner getötet worden.

Israel will die Unruhen mit der zunehmenden Verhängung der umstrittenen Verwaltungshaft eindämmen. Diese ermöglicht die unbegrenzt verlängerbare Inhaftierung ohne Anklage und Prozess. In den vergangenen zehn Tagen seien 84 Haftbeschlüsse erlassen oder verlängert worden, erklärte die palästinensische Gefangenenorganisation. Nach Angaben dieser Hilfsorganisation wurden 39 Palästinenser zu zwei bis sechs Monaten Verwaltungshaft verurteilt; für 45 weitere sei diese Maßnahme verlängert worden.

Die Gesamtzahl der Verwaltungshäftlinge sei damit auf mehr als 700 gestiegen, erklärte der Gefangenenklub. Insgesamt sitzen demnach gegenwärtig 7.000 Palästinenser in israelischen Gefängnissen.

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