piwik no script img

Anti-TTIP: Bohren dicker Bretter

Zukunft In Kassel debattieren GegnerInnen der EU-Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA über Protestformen. Derzeit ist die Mehrheit der Abgeordneten im EU-Parlament wohl noch für die Verträge

Aus Kassel Anja Krüger

Im Foyer der Universität tanzten sie am Abend Tango: Katharina Walckhoff und Lutz Dudek. Wie Dutzende andere AktivistInnen haben die beiden am Wochenende ihr Projekt bei der Konferenz der „Stopp TTIP“-Bewegung in Kassel vorgestellt. Dort debattierten rund 500 FreihandelsgegnerInnen am Freitag und Samstag über Formen des Protests gegen die umstrittene Vereinbarung zwischen der EU und den USA.

Die nächste große Demonstration ist für den 23. April in Hannover geplant: Am Tag da­rauf werden US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam die Industriemesse in der niedersächsischen Landeshauptstadt eröffnen.

Fünf regionale Demonstrationen sollen im Herbst in verschiedenen Orten Deutschlands folgen. Die zahlreichen lokalen Bündnisse wollen sich auch am Internationalen Aktionstag am 5. November beteiligen, auf den sich das europäische Netzwerk gegen TTIP verständigt hat. Anfang nächsten Jahres ist zudem eine große Konferenz zu Alternativen in der Handels- und Wirtschaftspolitik vorgesehen.

Noch vor dem TTIP will die EU bereits in diesem Jahr das Ceta-Freihandelsabkommen mit Kanada ratifizieren. Dieser Pakt ist ebenso umstritten wie TTIP, über das noch verhandelt wird.

Im vergangenen Oktober hatten mehr als 200.000 TeilnehmerInnen in ­Berlin gegen TTIP demonstriert, über 3,2 Mil­lionen Menschen unterzeichneten die Bürgerinitiative „Stopp-TTIP“.

Allerdings: An diese Erfolge anzuknüpfen dürfte für die Freihandelsgegenerinnen nicht leicht sein: „Wir sind in einer strategisch schwierigen Lage“, sagte Pia Eberhardt von der NGO Corporate Europe Observatory. Sie befürchtet, dass das Abkommen im Europäischen Parlament eine Mehrheit bekäme, wenn jetzt abgestimmt würde. Die Gewerkschaften in Nordeuropa beispielsweise seien – anders als die deutschen – für das Abkommen, warnte Eberhardt. „Das macht es den deutschen Vertretern schwer, ihre Position im europäischen Gewerkschaftsrat durchzusetzen.“ Zudem hätten nur sehr wenige der deutschen SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament gegen TTIP gestimmt. „Es ist uns nicht gelungen, den Druck auf die europäische Ebene weiterzugeben“, sagte Eberhardt. In Österreich und Großbritannien hingegen seien die sozialdemokratischen Delegierten mehrheitlich gegen das Abkommen.

Wir sind in einer strategisch schwierigen Lage

Pia Eberhardt, TTIP-Gegnerin

Alternativen entwickeln

Darüber, mit welchen Aktionen eine Ratifizierung des Ceta-Abkommens noch in diesem Jahr verhindert werden kann, wird noch debattiert. „Unser politisches Ziel für 2016 ist, das zu verhindern“, sagte Maritta Strasser von der Kampagnenorganisation Campact. Konkrete Ak­tionen dazu stünden aber noch nicht fest, „weil nicht klar ist, was unsere GegnerInnen planen“, sagte sie. „Wir müssen nicht nur aktiv, sondern auch reaktiv sein.“

Inhaltlich vertiefen wollen die FreihandelsgegnerInnen ihre Positionen bei einem großen Kongress über die Möglichkeiten einer anderen Wirtschafts- und Handelspolitik Anfang nächsten Jahres. „Wir wollen nicht stehen bleiben bei unserer Kritik, sondern auch Alternativen entwickeln“, sagte der ehemalige grüne Wirtschaftsstaatssekretär in Rheinland-Pfalz, Ernst-Christoph ­Stolper, der den Bund für Umwelt und Naturschutz im Stopp-TTIP-Bündnis vertritt. „Es wird auch darum gehen, mit Blick auf die Bundestagswahlen klare Forderungen zu for­mulieren“, sagte Stolper.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen