Kommentar Blockade von Ramallah: Kollektivstrafen sind wirkungslos

Einen Tag lang hat Israel die palästinensische Stadt Ramallah großteils blockiert – eine unsinnige Maßnahme, welche die Lage zu verschlimmern droht.

Israelische Soldaten lassen sich die Papiere eines Fahrzeugführers zeigen

Israelische Soldaten kontrollieren ein Fahrzeug, das sich aus Ramallah hinaus bewegt. Foto: dpa

JERUSALEM taz/afp | Die palästinensische Großstadt Ramallah ist wieder frei zugänglich. Die israelische Armee hob die am Montagmorgen verhängte Teilblockade des politischen und wirtschaftlichen Zentrums der Palästinensergebiete in der Nacht zum Dienstag auf. Als Grund nannte das Militär die „neue Beurteilung der Sicherheitslage“.

Die Abriegelung war eine kollektive Strafe für die Palästinenser. Denn die israelische Regierung sieht sich mit einer neuen Eskalation in der so genannten Messer-Intifada konfrontiert. Am Sonntag hat ausgerechnet ein Angehöriger des palästinensischen Sicherheitsapparats, einer der Männer also, die beauftragt sind, Terroristen zu jagen, das Feuer auf drei israelische Soldaten eröffnet.

Fast 30 Israelis sind seit Beginn der aktuellen Terrorwelle vor gut vier Monaten ums Leben gekommen. Dutzende der Angreifer, die breite Sympathie ihrer Landsleute genießen, kamen aus Ramallah, der heimlichen Hauptstadt der Palästinenser.

Emotional lässt sich gut nachvollziehen, dass Israel eine Kollektivstrafe verhängte. Doch es war eine wirkungslose Maßnahme: eine Lösung oder wenigstens mehr Sicherheit für Israels Bürger konnte sie kaum liefern. Die Politiker handelten mit der Blockade gegen den Rat der Militärs.

Erfolglose Politik der Unterdrückung

Die Soldaten wissen nur zu gut, dass die temporäre Abriegelung einer einzigen Stadt die Lage eher verschlimmert als beruhigt. Zu oft hat Israel schon versucht, die Palästinenser mit Unterdrückung dazu bringen, die eigene Führung zu Kompromissen zu drängen.

Funktioniert hat es nie. Die Armee drängt deshalb auf das Gegenteil: auf Maßnahmen für die Palästinenser, die ihnen das Leben erleichtern, etwa mehr Kontrolle für die palästinensische Führung, mehr Bewegungsfreiheit für die Menschen und damit eine stabilere Wirtschaft.

Die israelische Bevölkerung ist angesichts der beinahe täglichen Nachrichten von neuen Anschlägen zunehmend frustriert über die offensichtliche Machtlosigkeit der eigenen Regierung und über die Perspektive, sich mit der steten Gefahr eines plötzlichen Überfalls dauerhaft arrangieren zu müssen.

Militärs warnen vor der Illusion, man könne mit Gewalt eine Lösung erreichen. Und es hagelt internationale Kritik auf Regierungschef Benjamin Netanjahu. Bei aller Sympathie für die Opfer des Terrors erkennen die Politiker in Brüssel, Paris, Stockholm und in New York klar das Motiv Hoffnungslosigkeit. Nichts davon ist genug, um Israels Regierung umdenken zu lassen.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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