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Armutsbekämpfung macht Pause

MINDESTLOHN Das bremische Landesmindestlohngesetz soll geändert werden, um eine Angleichung zum Bundesmindestlohn zu erreichen. Scharfe Kritik kommt von Linksfraktion und DGB

"Vielmehr ist es an der Zeit, darüber nachzudenken, den Landesmindestlohn zu erhöhen"

Annette Düring, DGB

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Linksfraktion kritisieren die Pläne des Senats, das Verfahren zur Festlegung des Landesmindestlohns auszusetzen. Hintergrund der Gesetzesänderung, die Thema in der heutigen Sitzung der Wirtschaftsdeputation sein wird, ist der Mindestlohn auf Bundesebene.

Darauf wird in dem geplanten Änderungsgesetz verwiesen: „Die dauerhafte Fortgeltung eines Landesmindestlohnes neben einem Bundesmindestlohn entspricht nicht dem ursprünglichen Anliegen des bremischen Gesetzgebers. Ziel ist vielmehr eine bundesweit einheitliche gesetzliche Lohnuntergrenze“, heißt es da. Deswegen soll nun „dem Senat die Möglichkeit eröffnet werden, das Verfahren zur Festlegung des Landesmindestlohns für einen beliebigen Zeitraum auszusetzen“.

Bisher diskutierte der Senat einmal im Jahr über die Festsetzung der Höhe des Mindestlohns. Der gilt für Unternehmen, die öffentliche Gelder erhalten, für die Beschäftigten des Landes und ist Bedingung für Zuwendungen, Vergünstigungen oder bei Subventionen. Die Gesetzgebungskompetenz des Landes reicht nicht weiter – hat aber bereits über zwei Jahre vor Einführung des Bundesmindestlohns dafür gesorgt, dass wenigstens ein Teil der ArbeitnehmerInnen nicht weniger als 8,50 Euro in der Stunde bekam. Damit war Bremen das erste Bundesland, das einen Mindestlohn einführte.

Mittlerweile liegt die bremische Lohnuntergrenze bei 8,80 Euro, also höher als der Bundesmindestlohn, allerdings knapp vierzig Cent niedriger als der in Schleswig-Holstein. „Und nun will Bremen sich von der Bundesregelung einholen lassen“, sagt Doris Achelwilm, Sprecherin der Linksfraktion, die die geplante Gesetzesänderung massiv kritisiert.

„Mit dem Ausstieg aus dem Landesmindestlohn gibt der Senat eines seiner Vorzeigeprojekte zur Armutsbekämpfung mutlos auf“, sagt deren arbeitsmarktpolitische Sprecherin Claudia Bernhard. Für sie ist die Anhebung auf 8,80 Euro im Oktober 2014 „ein Wahlgeschenk, das jetzt wieder abgewickelt werden soll“. Richtig wäre es, den Landesmindestlohn weiter auszubauen.

Das sieht auch der DGB so. „Diskussionen über einen Verzicht auf die Festlegung des Landesmindestlohns sind nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist es an der Zeit, darüber nachzudenken, den Landesmindestlohn zu erhöhen“, so die DGB-Vorsitzende Annette Düring.

Die Senatsantwort auf eine Anfrage der Linksfraktion zum Thema Mindestlohn, die voraussichtlich in der nächsten Bürgerschaftssitzung debattiert werden soll, nennt denn auch keine Nachteile für Bremen seit Einführung des Mindestlohns im Jahr 2012. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse ist gestiegen, die Zahl der sogenannten „Aufstocker“ ist, anders als in den Jahren davor, nicht angestiegen, die Kaufkraft ist gewachsen.

Der Niedriglohnsektor ist allerdings nach wie vor groß, der Lohnabstand zwischen Frauen und Männern ebenso. Es bestehe also, sagt Claudia Bernhard, „kein Grund dafür, dass der Senat jetzt die Hände in den Schoß legt“. Simone Schnase

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