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„Es ist Symbolpolitik“

Dokumentarfilm Berliner Mieter leisten Widerstand gegen Verdrängung. Hamburg kann davon lernen

Foto: privat
Steffen Jörg

44, Mitarbeiter der GWA-St.Pauli, aktiv in der Initiative Esso-Häuser und im Recht-auf-Stadt-Netzwerk.

taz: Herr Jörg, haben Menschen mit einem ausländischen Namen es schwerer, auf St. Pauli eine Wohnung zu bekommen?

Steffen Jörg: Ja, das lässt sich immer wieder beobachten. In angesagten Wohngegenden kommt es leider häufig zu rassistischer Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, wenn Menschen einen nicht deutsch klingenden Nachnamen haben.

Warum gibt es dennoch wenig Migranten, die sich dagegen organisieren?

In unserer Mehrheitsgesellschaft ist es schwer sich durchzusetzen. Das verstärkt die Problematik. Allerdings gibt es ja migrantische Selbstorganisationen, wenn auch nicht konkret auf den Wohnungsmarkt bezogen. Die Initiative „St. Pauli selber machen“ setzt sich ein, ebenso das Bündnis „Recht auf Stadt – Never Mind the Papers“.

Sorgt die Wohnungsmarktpolitik des rot-grünen Senats dafür, dass die Mieten wieder sinken?

Nein, weil konkret nicht ausreichend Sozialwohnungen geschaffen werden. Es gibt zwar die Diskussion, aber es muss viel, viel mehr passieren. Ich finde, es handelt sich hier eher um eine Symbolpolitik und keine grundlegende Umkehrung in der Stadtentwicklungspolitik. Das ist schade.

Würden Sie sagen, dass der Protest in Hamburg dennoch abgeebbt ist?

Nein, zum Beispiel wegen der Auseinandersetzungen um die Esso-Häuser an der Reeperbahn. Diese Initiative ist seit sechs Jahren aktiv. Außerdem wird das Thema Wohnen jetzt aufgrund der Flüchtlinge wieder aktuell. Auch sie benötigen Wohnraum.

Können die Hamburger aus der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Migranten und Nicht-Migranten der Berliner Initiative Kotti und Co lernen?

Definitiv! Nachbarschaftliche Organisation, auch szenenübergreifend, ist wichtig. Kotti und Co ist ein Paradebeispiel dafür, wie aktive Selbstorganisation erfolgreich sein kann.

Woran machen Sie das fest?

Die Mieter wehren sich und haben die Problematik in den öffentlichen Raum gebracht. Das wird auch in ihrem Film „Miete essen Seelen“ auf deutlich. Deswegen wird er heute auch im B-Movie gezeigt. Wir können daraus lernen, wie wichtig Solidarität und Kollektivität ist. Bei einer Diskussion werden wir die Berliner und Hamburger Verhältnisse vergleichen. Dafür treffen dann Kotti-und-Co-Aktivisten auf Aktivisten der Esso-Häuser. Interview:Melina Seiler

Dokumentarfilm „Miete essen Seelen auf“ mit Diskussion: 20 Uhr, B-Movie Brigittenstr. 5, Eintritt 3,50 Euro

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