: Blühende Landschaften
Bundeswehr I Der Bundestag schickt bis zu 650 Soldaten nach Mali. Koalition und Grüne glauben, dadurch Frieden in Westafrika zu schaffen. Die Linkspartei widerspricht
Aus Berlin Tobias Schulze
Zur Natur des Bundestags gehört, dass dort deutsche Abgeordnete sprechen und keine einfachen Bürger, schon gar nicht solche aus der Republik Mali. Im Normalfall ergibt diese Regelung auch Sinn, am Donnerstag hätte dem Parlament aber eine Ausnahme gutgetan. 25 Minuten reichten da drei Abgeordneten, um dem Plenum die Wünsche ihrer malischen Bekannten an die Bundesrepublik zu übermitteln. Doch was der Durchschnitts-Malier tatsächlich vom anstehenden Bundeswehreinsatz in seinem Land denkt, das blieb am Ende trotzdem offen.
Die Bundeswehr wird sich künftig mit bis zu 650 Soldaten an der UN-Mission Minusma beteiligen. Mit Drohnen und Spähtrupps sollen die Deutschen den Friedensvertrag zwischen Regierung und Tuareg-Rebellen überwachen. Es ist eine der größten Bundeswehrmissionen seit dem Afghanistan-Einsatz – und eine der gefährlichsten: Im Konflikt zwischen Regierungstruppen, Rebellen und Dschihadisten sind bisher 56 Minusma-Angehörige ums Leben gekommen.
„Es ist ein gefährlicher Einsatz“, gibt im Bundestag auch der SPD-Politiker Niels Annen zu. So aussichtslos wie der in Afghanistan sei er deshalb aber noch lange nicht. „Alle meine Gesprächspartner vor Ort haben mir deutlich gemacht: Der Vergleich Afghanistan 2.0 ist wirklich sehr weit hergeholt.“
Im Gegenteil: Halte mit deutscher Hilfe die Friedensvereinbarung zwischen der Zentralregierung (aus dem armen Süden) und den Rebellen (aus dem noch viel ärmeren Norden), könne eine „prosperierende Gegend“ entstehen – blühende Landschaften in Westafrika quasi.
Agnieszka Brugger, Grüne
Daran glaubt Christine Buchholz nicht. Bisher hätten die Konfliktparteien keine Vereinbarung des Friedensabkommens umgesetzt, sagt die Linken-Politikerin. Im letzten halben Jahr habe sich die Sicherheitslage sogar verschlechtert, Minusma-Mission hin oder her. „Diesen Eindruck bestätigen mir auch meine Gesprächspartner in Mali. Offensichtlich reden wir mit unterschiedlichen Leuten, Niels Annen.“
Mit einer dritten Gruppe Malier hat schließlich die Grüne Agnieszka Brugger gesprochen. Auf der einen Seite korrigiert sie Niels Annen: „Man darf sich über die Lage keine Illusionen machen: Der Einsatz ist hochgefährlich.“ Auf der anderen Seite widerspricht sie aber Christine Buchholz: „Die meisten Gesprächspartner auf vielen meiner Reisen in Mali habe ich so verstanden, dass sich die Menschen mehr Schutz und mehr Minusma wünschen.“
Am Ende glauben 503 Abgeordnete (inklusive Grüne) den Gesprächspartnern von Annen und Brugger und stimmen mit Ja. 66 Abgeordnete (58 Linke, 8 SPD) glauben dagegen denen von Buchholz und stimmen mit Nein.
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