Nach dem Neonazi-Angriff in Leipzig: Aufräumen in Connewitz
Im Leipziger Alternativkiez ist nach dem Überfall vieles zerstört. Die Connewitzer wollen ihren Stadtteil aber nicht hergeben.
„Ich habe mich hier immer wohl gefühlt“, sagt Katharina Putschli vom Kreativladen „kaput“. Ihre Scheibe ist notdürftig mit Folie und Klebeband zusammengeflickt, auf dem Holzfußboden gibt es tiefe Macken. Ein Pflasterstein flog beim Überfall auf Connewitz durch ihr Fenster. Alles war noch ganz frisch. Boden, Scheiben, Geschäft. Erst im Juli hatte sie ihren Laden eröffnet. Montagabend, erzählt sie, sei sie von einer Freundin angerufen worden, die in der Nähe wohnt. „Hier ist Krieg“, habe die nur gesagt. Soweit will Putschli zwei Tage später nicht gehen.
Die Wolfgang-Heinze-Straße, das Zentrum im Kiez, gleicht nach dem Angriff einem notdürftig verarzteten Patienten, wirkt angeschlagen, verletzt. Die Frontscheiben zahlreicher Geschäfte existieren nicht mehr, stattdessen sind sie mit Pappe zugeklebt oder mit Holzbrettern vernagelt. Andere muten an wie das kaputte Display eines Smartphones, nur in zehnfacher Größe.
Jalousien mit Fischgräten wurden am Vereinslokal des „Roten Stern“ hinabgelassen, einem Club mit linksgerichteter Fanklientel. Den Musikladen hat es besonders schlimm erwischt, weil nicht nur die Scheiben, sondern auch Instrumente beschädigt wurden. Was die Geschäftsleute eint, ist die Beschwörung des Zusammenhalts in Connewitz. Die Courage, die Solidarität.
Rechter Straßenterror
Doch die Meinungen zu diesem Montag gehen auch im zusammengeschweißten Connewitz auseinander. Eine Ladenbesitzerin, die nicht genannt werden möchte, steht aufgelöst in ihrem Geschäft: „Es ist Krieg. Meine Nerven liegen blank.“ Splitter und Scherben bedecken den Boden, massive Steine haben ihr Schaufenster zertrümmert und liegen jetzt mitten im Raum. „Ich wohne hier schon jahrelang, und sowas habe ich noch nicht erlebt. Es sind Bomben geflogen!“
Den Döner-Imbiss wenige Meter entfernt hat es am härtesten erwischt. Der rechte Straßenterror, wie auch Oberbürgermeister Jung ihn nennt, präsentiert sich hier in all seiner Brutalität. Steine zu schmeißen, hat den Rechtsextremisten nicht gereicht. Sie sind in den Laden gestürmt, haben Sprengsätze geschmissen, die Kasse ausgeraubt. Ein Mitarbeiter verbarrikadierte sich im Hinterzimmer. Ein Blick in den völlig verwüsteten Imbiss, an dem schon eine Neueröffnung ankündigt wird, verdeutlicht, dass auch Schlimmeres hätte passieren können.
Franziska Weigel dagegen, seit 2009 Inhaberin eines Print-Shops, wirkt recht entspannt, als sie über Montagabend spricht: „Es ist halt Connewitz“, sagt sie. Fast nüchtern erzählt sie von dem organisatorischen Aufwand, der der Verwüstung folgte: der Versicherung Bescheid geben, aufräumen, einen Glaser anrufen. Montagabend, glaubt sie, hätten zwei Faktoren zusammengespielt: „Jugendlicher Wahnsinn und eine Flagge, unter dem er sich formieren kann.“
Bedenklich findet sie, wie sich 200 Menschen rechter Couleur zu einem Überfall verabreden konnten, ohne dass es den Behörden auffiel und obwohl er auf Twitter quasi angekündigt war. An Zufälle glaubt sie nicht: „Zeitgleich stand bei Legida eine rechte Band auf der Bühne, das war doch alles abgesprochen.“
Verunsicherung? Nein, danke
Polizeisprecherin Maria Braunsdorf betont, dass ihre Behörde das nicht hätte verhindern können: „Das war die Resonanz auf den 12.12. Was wo wann genau passieren würde, konnte nicht eingeschätzt werden.“
Jürgen Kasek ist Landesvorsitzender der Grünen – auch er hält Kritik an der Polizei für zweitrangig. „Das ist ein klassisches Versagen des Verfassungsschutzes. Zum wiederholten Mal will er rechte Gewalt nicht kommen gesehen haben.“ Wie Oberbürgermeister Jung bewertet er die Ereignisse als Terror. „Die Rechten wollen verunsichern, sie wollen vermitteln: Es gibt keinen sicheren Ort mehr, auch nicht euren Kiez. Wir kriegen euch überall.“
Die Connewitzer wollen das nicht zulassen. Einen Tag nach dem Angriff organsierten sie eine Soli-Demo durch ihren Kiez. Es kamen mehr als 2.000 Menschen.
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