Big Brother in Hannover: Lauschen für den Norden

In Hannover soll beim Landeskriminalamt Niedersachsen ein zentrales Abhörzentrum für die fünf norddeutschen Küstenländer entstehen.

Zentrales Abhören? Die USA wissen wie es geht, etwa im „Data Center“ in Utah Foto: T ParkerHiggins/(Electronic Frontier Foundation)/Wikimedia Commons.

HANNOVER taz | Es ist lange geplant – jetzt wird's konkret: In Hannover entsteht im Neubau des Landeskriminalamtes (LKA) am Waterlooplatz bis 2020 ein länderübergreifendes Telekommunikations-Abhörzentrum für Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Die rot-grüne Landesregierung in Hannover hat am Dienstag dem Entwurf des Staatsvertrages für das gemeinsame „Rechen- und Dienstleistungszentrum – Telekommunikationsüberwachung Polizei“ (RDZ-TKÜ Nord) zugestimmt. „Das wird ein Vorzeigeprojekt für die Zusammenarbeit der norddeutschen Länder“, sagte der niedersächsische LKA-Chef, Uwe Kolmey der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.

Dabei ist die Zusammenlegung neben der Modernisierung vor allem ein Projekt der Rationalisierung und soll Kosten sparen. Bereits 2010 ist dies so auf der Innenministerkonferenz der norddeutschen Küstenländer in die Wege gebracht worden. Die Ausstattung des Überwachungszentrums in der neuen LKA-Zentrale sei sehr teuer, sagte LKA-Sprecher Armin Zieseniß der taz. „Das ist mit erheblichen Kosten verbunden, aber dann auf dem neuesten Stand der Technik“.

Niedersachsen wird für die geschätzten Kosten von 18 Millionen Euro in Vorleistung gehen, bis es 2020 nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages auch von den anderen Nordländern genutzt wird. Die ländereigenen Abhöreinrichtungen werden dann überflüssig. Schon 2011 hatten sich die fünf Küstenländern auf der Innenministerkonferenz auf eine Kooperation verständig, ab 2016 für Überwachungsmaßnahmen gemeinsam die Abhörzentren in Hamburg und Hannover zu nutzen.

„Vor dem Hintergrund der rasanten technischen Entwicklung und der zunehmenden Verlagerung der Telekommunikation in das Internet besteht das dringende Erfordernis, die Instrumente für die Erkenntnisgewinnung der Sicherheitsbehörden den veränderten Gegebenheiten anzupassen“, heißt es aus der Staatskanzlei in Hannover. Die technische Komponenten und polizeiliche Organisation würden laufend angepasst. Außerdem würde neben der Zentralisierung von Technik auch das Knowhow gebündelt, ohne neue Eingriffsbefugnisse für die Polizei zu schaffen.

Die Telekommunikations-Überwachung der Polizeien der Länder ist zur Strafverfolgung in der Strafprozessordnung únd zur Gefahrenabwehr in den Landespolizeigesetzen geregelt.

Der Wandel der Technik zwingt die Fahnder zur Anwendung immer neuer Techniken.

Das geplante zentrale "Rechen- und Dienstleistungszentrum Telekommunikations-Überwachung" in Hannover ist daher auch ein Projekt zur Rationalisierung und Kostenersparnis, damit nicht jedes einzelne Bundesland in neue Technik investieren muss.

Bereits seit 2012 kooperieren Niedersachsen und Bremen bei der Telekommunikations-Überwachung. Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern hören bislang separat ab.

Die Rechtsgrundlage bleibt die Strafprozessordnung zwecks Strafverfolgung – und zur Gefahrenabwehr die jeweiligen Polizei- und Landesdatenschutzgesetzen. Die Hoheit des staatlichen Handels im Bereich der Telekommunikations-Überwachung obliegt dezentral bei den Landespolizeien und Landeskriminalämtern.

Ursprünglich wollten die Innenminister auch die fünf Verfassungsschutzämter in das Projekt einbeziehen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sei eine Zusammenlegung der Inlandsgeheimdienste jedoch nicht weiterverfolgt worden, heißt es in einer Antwort des Hamburger Senats auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.

Die Datenbeauftragten der fünf Länder sind zwar in die Planung des zentralen Abhörzentrums eingebunden, die Landesbeauftragte für Datenschutz in Hannover, Barbara Thiel, hat aber schon jetzt eine Mängelliste mit 44 hochsensiblen Punkten aufgestellt, die bei der Kooperation von Bremen und Niedersachsen erkenntlich geworden sind. „Diese müssen unser Meinung nach behoben werden“, sagt Thiels Sprecher Michael Knaps. „Diese Mängelpunkte sind noch nicht ausgeräumt und trotzdem plant das Land jetzt eine Kooperation mit allen norddeutschen Ländern“, kritisiert der innenpolitische Sprecher der niedersächsischen FDP-Landtagsfraktion, Jan-Christoph Oetje.

Zudem sei laut Datenschützer Knaps von den Projektentwicklern bisher versäumt worden, eine Risikoanalyse zu erstellen, um eine absolute „Mandantentrennung“ zu gewährleisten: Damit nicht die eine Landespolizei auf Daten einer anderen Polizeibehörde zurückgreifen kann und ein Missbrauch der Daten ausgeschlossen ist.

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