: Naturschutz als Tombola
Öko Grüne schlagen "Umweltlotterie" vor, um Gewässersanierung anzuschieben
Der Umwelt etwas Gutes tun und dabei ein hübsches Sümmchen gewinnen? Warum nicht: Aus der Grünen-Fraktion kommt der Vorschlag, Naturschutzprojekte mittels einer „Umweltlotterie“ in Schwung zu bringen. Die BerlinerInnen würden über den Erwerb von Losen etwa ermöglichen, dass Flüsse wie Panke und Wuhle in einen naturnahen Zustand versetzt werden, wie es die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) verlangt.
Eigentlich seien diese Maßnahmen ja verpflichtend, und die Planungen lägen längst in der Schublade, erklärt die Grünen-Abgeordnete Silke Gebel, von der der Vorschlag stammt. „Aber die Umsetzung wurde in dieser Legislaturperiode komplett ausgesetzt, die Priorisierung dieser Aufgaben ist offensichtlich nicht hoch.“ Deshalb schwebt Gebel der Rückgriff auf privates Geld vor. Zwar verteilt die Berliner Lotto-Stiftung jedes Jahr Millionen an gemeinnützige Projekte und Einrichtungen – für die Umwelt fällt aber eher wenig ab. Und die Grünen-Abgeordnete will auch nicht, dass andere Förderungen unter den Öko-Investitionen leiden müssen: „Kein anderes Projekt sollte deswegen weniger bekommen.“
In etlichen anderen Bundesländern ist eine Umweltlotterie keine grüne Träumerei, sondern längst Normalität. Die „Bingo! Umweltlotterie“ ging 1997 in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern an den Start, seitdem sind Hamburg, Bremen und Sachsen-Anhalt dazugekommen. Der NDR produziert jeden Sonntagnachmittag eine Sendung mit der Ziehung der Gewinner. Seit Beginn hat die Lotterie nach eigenen Angaben mehr als 135 Millionen Euro über Stiftungen der beteiligten Länder an rund 12.000 Projekte ausgeschüttet.
Kein schlechtes Modell also für Berlin, möchte man meinen – aber in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hört man offenbar zum ersten Mal davon. So zumindest liest sich die Antwort von Staatssekretär Christian Gaebler (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage von Gebel, die der taz vorliegt.
100 Millionen benötigt
Zwar kann die Verwaltung beziffern, welche Summen für die Sanierung der Fließgewässer, aber auch für die dringend notwendige Schaffung von Stauraum in der Mischwasserkanalisation benötigt werden: Etwa 100 Millionen Euro sind es in den kommenden Jahren. Auf die Fragen zur Umweltlotterie gibt man sich im Haus von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) aber ratlos: Mehr als das, was darüber im Internet zu erfahren sei, wisse man auch nicht – etwa, was die konkreten Summen angeht, die in den jeweiligen Ländern ausgeschüttet wurden.
Lakonisch und knapp auch die Antwort auf Gebels Frage, wie denn der Senat das Instrument der Umweltlotterie hinsichtlich ihres Beitrags für Umwelt- und Naturschutz bewerte: „Der Senat kann keine Bewertung abgeben.“
Unter den herrschenden Bedingungen heißt es also für die Grünen mal wieder: netter Versuch. Claudius Prößer
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