piwik no script img

Umgang mit VergewaltigungsvorwürfenDas Ende des Aussitzens

Wenn Frauen Männern Vergewaltigung vorwerfen, verklagen diese sie wegen Rufmord. Jüngstes Beispiel: Bill Cosby. Doch es geht auch anders.

Beschuldigt Frauen der boshaften Lüge auf seine Kosten: Bill Cosby. Foto: reuters

Sie wollte doch auch. Wenn sie jetzt etwas anderes behauptet, will sie das Leben eines Mannes ruinieren. Dieses Argument wird bemüht, wann immer ein Mann öffentlich der Vergewaltigung bezichtigt wird. Viel zu oft sind die Täter damit gut gefahren, viel zu oft wurde zuerst an das Image der Beschuldigten gedacht. Doch so einfach kommen Vergewaltiger nicht mehr davon.

Vor fünfzehn Jahren wurde der Komiker Bill Cosby erstmals mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert. Inzwischen belasten ihn mehr als 50 Frauen. Lange schien es, als könne Cosby die Sache erfolgreich schweigend aussitzen. Aber seit der Komiker Hannibal Burres ihn bei einem Auftritt im Oktober 2014 als Vergewaltiger bezeichnete, reagiert die Öffentlichkeit.

Eine Wiederholung seiner berühmten Serie „Die Bill Cosby Show“ wurde abgesagt, ebenso eine neue Serie für Netflix. Nun verklagt Cosby 7 der 50 Frauen wegen Rufmord. Auf 98 Seiten betont der Schauspieler, bei den Anschuldigungen handle es sich um einen „opportunistischen Versuch, sich zu bereichern“.

Es ist die alte Leier. Doch allmählich scheint sich die Melodie zu verändern. Die Opfer kämpfen zunehmend um ihren Platz im Zentrum der Aufmerksamkeit. In Oklahoma stand vergangene Woche der weiße Expolizist Daniel Holtzclaw vor Gericht. Holtzclaw fühlte sich auf der sicheren Seite: Seine Opfer gehörten zu den Gruppen, deren Wort selten viel Gewicht gegen das eines Polizisten hat. Schwarze Frauen, Sexarbeiterinnen, Drogenabhängige. Er hatte unrecht. Holtzclaw wurde der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs in 18 Fällen schuldig gesprochen.

Ein weiter Fall: Die Pornodarstellerin Stoya beschuldigte Ende November den Porno-Star James Deen, sie vergewaltigt zu haben. Zwei große Produktionsfirmen sagten daraufhin die geplante Produktionen mit Deen ab und betonten die Wichtigkeit eines sicheren Arbeitsplatzes für die Beschäftigten.

Dafür brauchte es keine 50 Frauen wie im Fall Cosby, das Wort einer einzigen genügte. Erst dann schlossen sich weitere acht Frauen den Vorwürfen an. Der Schuldspruch ist und bleibt Sache eines Gerichts. Doch damit Vergewaltiger zur Rechenschaft gezogen werden können, darf Klägerinnen nicht mehr mit dem Vorwurf bösartiger Rachefeldzüge begegnet werden. Sie müssen Raum haben, Vergewaltiger anzuprangern – egal ob diese unbekannt sind oder einen Stern auf Hollywoods Walk of Fame haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Im Strafverfahren entscheidet nicht eine statistische Wahrscheinlichkeit oder ein Blick in Parallelverfahren. Insofern erschließt sich mir der Sinn des Artikels nicht.

     

    Dasselbe gilt für das angebliche "Recht auf anprangern". Wem steht es zu und wem nicht?

  • "...darf Klägerinnen nicht mehr mit dem Vorwurf bösartiger Rachefeldzüge begegnet werden..."

    Doch, denn diese Möglichkeit besteht. Ist ja klar.

  • Der Schuldspruch ist und bleibt Sache eines Gerichts, wie die Autorin richtig feststellt. Prominenz darf selbstverständlich nicht vor Strafe schützen.

     

    Dass leider oft der Recht bekommt, der sich die besseren Anwälte leisten kann, ist allerdings eine Schande. Speziell in den USA kann daher Armut einen Beschuldigten gar das Leben kosten. Andererseits sind die unglaublichen Summen, die dort wiederum manchen Geschädigten zugesprochen werden, sehr wohl ein Motiv für Verleumdung.

     

    Die Behauptung, bei einem Vergewaltigungsvorwurf handele sich um einen bösartigen Rachefeldzug, kann einem Beschuldigten nicht verboten oder verwehrt werden. Er muss sie dann allerdings vor Gericht beweisen.

     

    Die Unschuldsvermutung vor Gericht hat geschlechtsneutral zu sein, nicht mehr und nicht weniger. Einige Feministinnen haben offenbar nichts aus dem Fall Kachelmann gelernt.

  • Unabhängig, ob die Vorwürfe jetzt stimmen oder nicht: ich muss Herrn Cosby hier recht geben.

     

    Warum werden die Vorwürfe nicht vor Gericht gebracht? Aus Scham über das Geschehene ja wohl nicht, immerhin wird es aktiv in der Öffentlichkeit breitgetreten.

     

    Wenn ich behaupte jemand habe eine Straftat begangen und bringe dies dann nicht vor Gericht bzw. zur Anzeige, muss ich damit rechnen wegen Rufschädigung bzw. Verleumndung angezeigt zu werden.

     

    Ein wichtiger Teil unseres Rechtssystems.

     

    Wem das nicht nicht gefällt, der möge sich per Zeitreise in 15. Jahrhundert Europas begeben oder alternativ in Teile Syriens oder des Irak - dort herrscht derzeit ein äquivalentes Rechtssystem.

    • @HanWur:

      Ach was, es kann verschiedene Gründe geben, warum Menschen ein Delikt nicht zur Anzeige bringen. Etwa weil sie sich das teure Verfahren und die Anwaltskosten nicht leisten können. Oder weil sie sich in ihrer Opferrolle schämen. Oder weil sie aufgrund der üblichen Urteilspraxis bei Gericht nicht damit rechnen dürfen, ein faires Verfahren zu bekommen.

       

      All diese Gründe spielen gerade bei Fällen von Vergewaltigung eine besondere Rolle, da üblicherweise die Sichtweise der Männer akzeptiert und eine Täter/Opfer-Umkehr bei Vergewaltigungsprozessen stattfindet. Da heisst es dann oft: selber schuld, hätte sie sich eben keinen Minirock angezogen oder warum geht sie so spät noch auf die Strasse! Daher ist es nachvollziehbar, dass sich manche Frauen dieser Belästigung nicht aussetzen wollen, denn vor Gericht wird ihnen viel zugemutet.

       

      Also nur weil jemand keine Anzeige erstattet, ist das noch lange keine Rechtfertigung dafür, dass der Beschuldigte mit einer Verleumdungsklage Rache übt. Denn Rache mag in Ihrem subjektiven Verständnis von Recht eine wichtige Rolle spielen, aber ein zivilisiertes Rechtssystem sollte nicht auf Rache beruhen. Egal ob in Irak oder in den USA.

      • @Rudeboy:

        Öffentliches Anprangern spricht nicht unbedingt für ein ausgeprägtes Schamgefühl gegenüber der eigenen Opferrolle. Wer mit Journalisten darüber redet sollte kein Problem haben, sich auch gerichtlich damit auseinander zu setzen. Außerdem stellt Vergewaltigung einen Straftatbestnd dar, der vom Staatanwalt strafrechtlich verfolgt wird, folglich werden Kosten höchstens vom Staat getragen, und im Fall einer Verurteilung eben vom Verurteilten.

         

        Der Fall Kachelmann lässt sich allerdings mit dem Fall Cosby schwer vergleichen, denn bei Anschuldigungen von mehr als 50 Frauen wirds schon sehr viel schwerer glaubhaft zu versichern, dass die Vorwürfe falsch sind.

        • @Peacewood:

          Von "öffentlich anprangern" kann wohl gar keine Rede sein. Meines Wissens sind die betroffenen Frauen erst Jahre später an die Öffentlichkeit getreten und haben sich als Vergewaltigungsopfer geoutet. Es scheint so zu sein, dass zum Zeitpunkt, als die ersten Frauen ihre leidvollen Erfahrungen mit Cosby öffentlich machten, so eine Art Dammbruch stattfand und sich auch die anderen Frauen ermutigt fühlten, nach all den Jahren zu sprechen.

           

          Man kann sich natürlich fragen, warum sie vorher nicht gesprochen haben. Vielleicht liegt es daran, dass der Version der Frauen meist nicht geglaubt wird und, wie ich schon geschrieben habe, eine Täter/Opfer-Umkehr stattfindet. Das ist ja nicht gerade eine Ermutigung für Menschen, die Opfer einer Vergewaltigung werden, an die Öffentlichkeit zu gehen, zumal im Falle eines Popstars wie Cosby. Da muss man wohl mit einigem Gegenwind rechnen.

           

          Aber es zeigt vor allem eines: Frauen, die vergewaltigt werden, werden doppelt bestraft, sie sind nicht nur Opfer eines Verbrechens, sondern sie werden auch noch öffentlich geächtet und als angebliche "Lügnerinnen" abgestempelt.

          • @Rudeboy:

            Dennoch muss man stets auch die Möglichkeit falscher Vorwürfe in Betracht ziehen. Besonders wenn solche gegen Personen des öffentlichen Lebens erhoben werden, kann allein die Beschuldigung existentiell bedrohliche Folgen haben. Es würde also bestraft, ohne dass jemals ein Fehlverhalten vorlag.

             

            Wenn sich Frauen nach einer tatsächlichen Vergewaltigung nicht trauen, die Tat zur Anzeige zu bringen, kann man das aber sicherlich nicht als gesellschaftliches Problem darstellen. Zumal hier auch seitens der Ermittlungsbehörden in der Regel aüßerst sensibel vorgegangen wird.

             

            Bei mutmaßlichen Vergewaltigungen die Unschuldsvermutung zu ignorieren und auf eine Beweiserhebung zu verzichten, um dem mutmaßlichen Opfer eine Anzeige zu erleichtern, wäre am Ende aus rechtsstaatlicher Sicht sicherlich ganz und gar nicht hilfreich.