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Über 100 Anzeigen gegen Gewalttäter

Köln Ein Großteil der betroffenen Frauen in der Silvesternacht meldet Sexualdelikte, darunter zwei Vergewaltigungen. Augenzeugen schildern Gewalt durch Männergruppen. Täter im Bahnhof offenbar bekannt

von Astrid Ehrenhauser undClaudia Hennen

KÖLN/BERLIN taz | Deutlich über 100 Anzeigen lagen am Mittwoch dem Polizeipräsidium Köln nach den Angriffen auf Frauen in der Silvesternacht vor. Etwa drei Viertel beträfen auch Sexualdelikte, sagte eine Polizeisprecherin der taz. „Viele davon stehen in Kombination mit irgendeiner Form des Eigentumsdelikts. Ein Teil hat nur sexuellen Hintergrund.“ Bis zum Mittwoch wurden zwei Vergewaltigungen angezeigt.

Wie viele Menschen – darunter auch Männer – zu Schaden gekommen sind, sei bisher unklar, sagte die Sprecherin. Oft beziehen sich die Anzeigen auf mehrere Opfer. Bisher gebe es drei Verdächtige, noch sei niemand festgenommen worden. Die Polizei sichte aktuell die Beweismittel. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vermutete: „Das Ganze scheint abgesprochen gewesen zu sein.“

Handyvideos dokumentieren bereits vor Mitternacht die Zustände auf dem Bahnhofsvorplatz: Raketen am Bahnhof. Raketen und Böller wurden unkontrolliert in die Menge geworfen, junge Männer liefen im Zickzackkurs mit Feuerwerkskörpern in Richtung Haupteingang, Passanten ergriffen die Flucht.

Eine 23-jährige Bochumerin, die gegen 19 Uhr den Bahnhof betrat, schildert der taz ihre Eindrücke: „Auf dem Vorplatz wurden Böller in Richtung Haupteingang geworfen. Neben mir stand ein Typ, der mir immer näher kam. Ich bin dann in den Bahnhof gegangen und kam nicht weiter. Da standen so viele Männer, das war wie eine Mauer. Zwei Typen mit dunklem Haar, offensichtlich aus dem arabischen Raum, folgten mir und machten sich an meinem Rollkoffer zu schaffen. Ich bin dann zur U-Bahn gerannt. Nirgendwo waren Sicherheitsbeamte der Bahn zu sehen.“

Die Bochumerin hatte Glück – anderen erging es schlimmer. Ein Kölner, der mit seiner Lebensgefährtin und seinen zwei Kindern gegen 23 Uhr die Bahnhofshalle durchquerte, wurde eingekesselt: Eine „Gruppe Ausländer“ habe sich in die Menge gedrängt, „es gab kein Entkommen.“ Seiner 15-jährigen Tochter und seiner Lebensgefährtin sei an die Brust und zwischen die Beine gegriffen worden, seinem Sohn wurde das Handy gestohlen, so der Mann zum Kölner Stadtanzeiger.

Der Mitarbeiter eines angrenzenden Restaurants sagte der taz über die Täter: „Ich bezweifle, dass die meisten von außerhalb kamen. Diese Typen hängen tagtäglich hier rum.“

Diese Einschätzung deckt sich mit jener des Flüchtlingshelfers Alexander Schoen, der in der Silvesternacht Flüchtlinge im Bahnhof betreute: „Uns wurden rund 250 Euro aus der Spendenkasse gestohlen“, berichtete der 40-Jährige der Kölnischen Rundschau. Einige der Diebe, die meist in zehnköpfigen Gruppen arbeiteten, kenne er aus dem Alltag. „Viele von ihnen kommen aus Marokko.“ Schon mehrfach hätten sie Flüchtlinge bestohlen.

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