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Die stete Veränderung des immer Gleichen

Zeitlichkeit „Vom Vergehen“ der Zeit ist zum Jahreswechsel häufig die Rede. Die gleichnamige Schau in der Schwartzschen Villa ist eine sehenswerte Gruppenausstellung zum Thema

Selten im Jahr – höchstens am eigenen Geburtstag – sinniert man so oft über das Vergehen der Zeit wie jetzt an Weihnachten und Neujahr. Bevor man sich nun freilich in melancholischen Gedanken wiegt, bietet sich unbedingt ein Besuch in der Schwartzschen Villa in Steglitz an. Denn in der Ausstellung „Vom Vergehen“ reflektieren dort 25 Künstlerinnen und Künstler im Medium der Malerei, der Fotografie, der Grafik, der Objektkunst oder dem Video ziemlich eigensinnig und quer zum „Hach, wie die Zeit verfliegt“-Seufzer am Ende des Jahres die Zeitlichkeit der Welt.

Daher finden sich in dieser Ausstellung ganz gescheite und gewitzte Vorstellungen über die vielfältigen Aspekte der Zeit und wie man sie in der Darstellung verdeutlichen, untersuchen oder auch einfach nur mit ihnen spielen kann. Die Schimmelsporen zum Beispiel, die in der Petrischale auf einer typografisch angelegten Nährlösung erst einmal das Wort „Now“ ­schreiben, löschen dieses Jetzt in ihrem weiteren Wachstum auch schon wieder auf. Schön und tröstlich bei dieser Arbeit von Ulrich Buge (Jahrgang 1972) ist es, zu sehen, wie gemächlich die Furien des Verschwindens hier ans Werk gehen.

Auch die Farbemulsion eines schlecht – nämlich feucht – gelagerten Diafilms ist langlebiger, als man erwarten würde. Fast 50 Jahre sind die in Mexiko Anfang der 1970er Jahre entstandenen Aufnahmen alt, die Matthias Fitz (Jg. 1967) auf einem Berliner Flohmarkt fand. Die Dias wurden von ihm gescannt und bis auf einen Helligkeits- und Kontrastabgleich unverändert belassen. Die fotografierte Landschaft hat ihre Farbigkeit stark verändert, wobei sie sich an den Rändern in der weißbraunen Gischt der Fotochemie auflöst.

Wirklich flüchtig, wie wir alle wissen, ist der Schatten, den sozusagen auf ewig festzuhalten es Anne Amelang (Jg. 1980), dennoch gelingt; und zwar mit sehr simplen, aber gut überlegen Mitteln. Zunächst nimmt sie einen so banalen Gegenstand wie Betonplatten aus dem Baumarkt, bedruckt sie mit dem Schattenwurf der Blätter eines Baumes. Dann stapelt sie diese Platten aufeinander, sodass es ausschaut, als warteten sie nur darauf, endlich zu einem Gehweg oder eine Einfassung verarbeitet zu werden. In diesem Moment aber, in dem sie als Gebrauchsgegenstand wahrgenommen werden, kommt das Überschüssige, der unerklärliche Schattenwurf – kurz: die Kunst – ins Spiel und wir sehen eine Skulptur, die gleichermaßen mit dem Schatten das Sonnenlicht mit sich bringt.

Anne Amelang entwickelt zu ihrer künstlerischen Schattenjagd eine interessante psychologische Analogie. Weil wir entscheidende Erfahrungen in unserem Unbewussten oft ein Leben lang aufbewahren, um sie immer wieder auf ganz neue und andere Umstände zu projizieren, erkennt die Künstlerin darin den Schattenwurf des ursprünglichen Erlebnisses, den „Schatten auf der Haut der Dinge“, wie sie sagt.

Ob das Video wohl 100 Millisekunden dauert? So lang wie „Ein Wimpernschlag“?

Ob das Video von Anja Majer (Jg. 1974) wohl 100 Millisekunden dauert? So lange wie „Ein Wimpernschlag“? Denn so heißt ihre Aufnahme, in der zu sehen und zu hören ist, wie eine Wimper weggepustet und unhörbar ein Wunsch formuliert wird. Dass die Zeit stehenbleiben möge, sollte man sich nicht wünschen. Denn in diesem Fall könnte Ola Eibl (Jg. 1981) ihre „Am See“ gefundene 21-teilige Bilderfolge unterschiedlicher Licht- und Wetterstimmungen nicht mit Öl auf Holz malen. Das wär’zu schade. Denn sie ist eine wunderbare Lecture über die stete Veränderung des immer Gleichen.

Brigitte Werneburg

Bis 31. Januar, Schwartzsche Villa, Grunewaldstr. 55, Steglitz

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