Erst Dreck, dann Drohungen

Auto I Auch Fahrzeuge von Mercedes und BMW zeigen in Tests stark überhöhte Werte. Doch die Hersteller bestreiten ein illegales Vorgehen – und bedrohen Prüfer und Medien

Auch bei Daimler wurde offenbar gepfuscht Foto: Jens Meyer/ap

Aus Berlin Malte Kreutzfeldt

Es war eine bemerkenswerte Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte eingeladen, um über neue Abgastests zu informieren, die nicht nur VW betreffen. Etwa die Hälfte der rund 20 Teilnehmer waren aber keine Journalisten, sondern Anwälte und Mitarbeiter von Autokonzernen. Mit Mobiltelefonen nahmen einige von ihnen jedes gesprochene Wort auf und fotografierten die am Eingang ausliegende Teilnehmerliste. Als dieser Vorgang dokumentiert werden sollte, verließen sie mit verdecktem Gesicht fluchtartig das Gebäude.

Das Ziel war klar: Mercedes und BMW wollen unliebsame Berichte verhindern. Schon im Vorfeld hatten Anwälte im Auftrag der Konzerne die DUH vor Anschuldigungen gewarnt. Sollte der Verband „auch nur irgendwie die Behauptung aufstellen“, dass Mercedes „Abgaswerte manipuliert habe“, werde man „mit aller gebotenen Nachhaltigkeit“ dagegen vorgehen und den Verband „für jeden wirtschaftlichen Schaden, der meiner Mandantin dadurch entsteht, haftbar machen“, schreibt der Berliner Anwalt Christian Schertz. Zugleich verlangt er, dass diese Drohung geheim bleibt: Das Schreiben dürfe nicht öffentlich werden, sonst drohten „gesonderte rechtliche Schritte“.

Zumindest über diese Warnung setzte sich die DUH hinweg, indem sie das Schreiben auf ihre Homepage stellte und in der Pressekonferenz daraus zitierte. Ansonsten zeigten die Drohungen aber Wirkung. Der Verband stellte zwar detaillierte Messergebnisse vor, die zeigen, dass auch Fahrzeuge von BMW und Mercedes einen deutlich erhöhten Stickoxid-Ausstoß haben, wenn auf der Straße statt im Prüfstand gemessen wird. Doch mit Schlussfolgerungen hielt sich die DUH zurück.

Die Schweizer Abgasprüfstelle hat im Auftrag des ZDF drei Autos getestet: einen Mercedes C200 CDI Blue Efficiency (Erstzulassung 2011), einen BMW 320d (Erstzulassung 2009) und einen VW Passat 2.0 TDI Blue Motion (Erstzulassung 2011). Der VW Passat hat nach Auskunft des Herstellers eine illegale Abschaltsoftware verbaut, die Stickoxidwerte (NOx) im Prüfstandlauf manipuliert. Alle drei Autos erzeugten auf der Straße ein Mehrfaches der NOx-Emissionen, die im Labor entstanden waren, bei gleicher Fahrweise und vergleichbaren Fahrbedingungen.

Der BMW kam auf der Straße auf das 2,8fache des Laborwertes, der Mercedes auf das 2,7fache und der Passat auf das 3,7fache.

Auch im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) untersuchte die Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule die NOx-Emissionen eines Mercedes, eines BMW und eines Opels. Auch hier gab es erhebliche Abweichungen.

Dabei sind die Ergebnisse recht klar: Die DUH hatte an der Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule in der Schweiz einen Diesel-Pkw von Mercedes aus dem Jahr 2011 messen lassen. Dabei zeigte sich, dass er nach den bei den Tests üblichen drei Messzyklen am Vortag bei einer weiteren Messreihe nach einem Kaltstart die vorgegebenen Stickoxid-Grenzwerte einhielt. Wurde der gleiche Test anschließend im warmen Motorenzustand erneut durchgeführt, war das Ergebnis mehr als doppelt so hoch, der Grenzwert wurde weit überschritten.

Weitere Tests durch das gleiche Labor ließ das ZDF-Magazin „Frontal 21“ durchführen. Dabei wurden der Mercedes sowie ein BMW und ein Volkswagen zunächst auf dem Prüfstand getestet. Anschließend wurde der Fahrzyklus des Labors computergestützt auf der Straße simuliert, dabei wurden die Abgase gemessen. Bei dem VW handelte es sich um ein Fahrzeug, bei dem bereits bekannt ist, dass es eine illegale Abschaltvorrichtung nutzt, die mit einer Software die Testsituation erkennt und dafür sorgt, dass die Abgase dabei deutlich besser gereinigt werden als im Alltagsbetrieb. Hier waren die gemessenen Werte auf der Straße rund viermal so hoch wie im Labor.

Doch auch die beiden anderen Fahrzeuge, deren Hersteller die Verwendung illegaler Abschaltvorrichtungen bisher vehement verneinen, zeigten auf der Straße bei exakt gleicher Fahrweise wie im Labor stark erhöhte Werte: Sowohl beim BMW als auch beim Mercedes waren sie nach Abzug der Messungenauigkeit knapp dreimal so hoch. Dennoch bestritten die Hersteller auch gegenüber dem ZDF jedes illegale Vorgehen. Daimler-Sprecher Jörg Howe sagte zur taz, dass es sich bei den getesteten Wagen um Gebrauchtfahrzeuge handele. „Niemand kann ausschließen, dass sie beschädigt oder von Dritten manipuliert worden sind.“ Gegenüber dem ZDF nennen BMW und Mercedes als mögliche Gründe für die Abweichung die Ungenauigkeit des Messgeräts sowie den Einfluss von Temperatur, Straßenbelag und Wind.

Experten halten das für wenig überzeugend. „Es gibt keine technische Erklärung, warum sich Werte auf der Straße sich dermaßen von denen im Labor unterscheiden“, betont Kai Borgeest vom Zentrum für Verbrennungsmotoren an der Uni Aschaffenburg. Die Abweichungen seien viel zu groß, um durch Messungenauigkeiten oder Wettereinfluss verursacht worden zu sein. „Es ist sehr naheliegend, dass hier ebenfalls eine Abschaltvorrichtung eingesetzt wird“, sagt Borgeest. „Ich kann mir nichts anderes vorstellen.“

„Naheliegend, dass auch hier eine Abschaltvorrichtung eingesetzt wird“

Der Abgas-Experte Axel Friedrich, der früher beim Umweltbundesamt arbeitete und als freier Berater die Tests für Umwelthilfe und ZDF begleitet hat, hält die Messwerte ebenfalls für „physikalisch-chemisch nicht zu erklären“. Auf die Frage, ob es aus seiner Sicht eine andere Erklärung gibt als eine illegale Abschaltvorrichtung, antwortet er ausweichend: „Meine Haftpflichtversicherung reicht nicht aus, um dazu eine Aussage zu treffen.“

Auch das ZDF hatte vor Ausstrahlung des Beitrags warnende Schreiben von Anwälten der Konzerne bekommen. Zudem sei in Deutschland keine Prüfeinrichtung bereit, Abgastests für Umweltverbände oder Medien durchzuführen, berichtet DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. „Niemand will die Aufträge der Autokonzerne verlieren.“ Und auch Wissenschaftler, die sich zu dem Thema äußern, spüren Druck, berichtet Borgeest. Denn die meisten Universitäten seien auf Aufträge aus der Industrie angewiesen. „Darum besteht eine geringe Bereitschaft, Dinge beim Namen zu nennen.“