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Kommission will weniger MüllEuropa einig Abfallkontinent

Weniger Abfälle, mehr Recycling: Um die Müllberge in der EU zu senken, schlägt die Kommssion ein neues Kreislaufwirtschaftspaket vor.

Ist doch alles Müll: Skulpturen in München Foto: dpa

BERLIN taz | Weniger Lebensmittel im Abfall und weniger Abfall auf Deponien – das sind zwei Ziele des neuen Kreislaufwirtschaft-Paketes, das die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel verabschiedet hat. Das Paket von Kommissions-Vize-Präsident Frans Timmermans soll als Grundlage für eine neue Kreislaufgesetzgebung in den Mitgliedsstaaten dienen - und muss noch von Rat und Parlament verabschiedet werden.

Im Kampf gegen die Müllberge hat die EU-Kommission jedoch ihre Recycling-Ziele gesenkt. Der Entwurf von Timmermans sieht vor, dass Siedlungsabfälle bis 2030 zu 65 Prozent und Verpackungsabfälle zu 75 Prozent recycelt werden. Nur noch höchstens zehn Prozent des Abfallaufkommens dürfen dann in Deponien gelagert werden. Wegen des Widerstands einiger EU-Staaten hatte die Kommission damit einen eigenen, eineinhalb Jahre alten Vorschlag ersetzt, in dem noch von einer Recycling-Quote von 70 Prozent die Rede war. Das Ziel für Verpackungsmüll hatte zuvor bei 80 Prozent gelegen.

Zudem soll die Menge an Lebensmittelabfall in Europa in den nächsten 15 Jahren halbiert werden. Qualitätsstandards für Sekundärrohstoffe sollen entwickelt und das Ökodesign gefördert werden - Produkte sollen also länger haltbar, reparierbar und wiederverwertbar werden, damit weniger Abfall entsteht.

Übergangsregeln für Griechenland, Bulgarien oder Rumänien

Um diese Ziele zu erreichen, will die Kommission 650 Millionen Euro aus dem Forschungsprogramm „Horizon 2020“ einsetzen, zudem 5,5 Milliarden aus dem Europäischen Strukturfonds für ein besseres Abfallmanagement in den Mitgliedsländern. Für Staaten wie Griechenland, Bulgarien oder Rumänien, die die meisten Abfälle noch unbehandelt deponieren, sollen längere Übergangsregeln gelten. Hier gibt es noch viel Skepsis zu den EU-Plänen, insbesondere süd- und osteuropäische Länder stehen vor einer Mammutsaufgabe. Timmermans lobte seinen Entwurf trotzdem: „Wir können (nun) jeden an Bord haben, auch die, die sehr hinterherhinken.“

2012 wurde im EU-Schnitt 42 Prozent des Abfalls recycelt oder kompostiert. Deutschland führte die Liste mit 65 Prozent an, Rumänien war Schlusslicht mit 5 Prozent. Auf jeden EU-Bürger kommen im Schnitt rund 490 Kilogramm Abfall pro Jahr. Neuere Zahlen gibt es nicht.

Die Industrie lobt das Paket. Die EU-Kommission verbessere damit die Verfügbarkeit von Rohstoffen in Europa, heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). „Die Kreislaufwirtschaft kann durch die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus die effiziente Nutzung von Ressourcen fördern“, meint Holger Lösch, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI. Auch der Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) begrüßte die Kommissionspläne. Für eine Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten komme das 10-Prozent-Ziel bei der Deponierung von Siedlungsabfällen „einem Quantensprung“ gleich, sagte BDE-Präsident Peter Kurth - wenn auch für Deutschland schärfere Vorgaben möglich gewesen seien.

Die Deutsche Umwelthilfe hingegen sieht das Paket kritisch: Es trage „die Handschrift der Wirtschaftslobby“, sagt Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft der DUH. „Die Recyclingziele wurden im Vergleich zum zurückgezogenen Abfallwirtschaftspaket des damaligen Umweltkommissars Janez Potocnik deutlich abgeschwächt“, sagt Fischer. Viele Punkte seien unverbindlich , ihre Umsetzung unkonkret. Kritik kommt auch vom Umweltpolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag: Dieses Abfallpaket schwäche Recycling und Ressourcenschutz, sagte der Abgeordnete Peter Meiwald, unter anderem fehlten konkrete Ziele zur Abfallvermeidung.

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3 Kommentare

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  • 2G
    27741 (Profil gelöscht)

    In meiner Kindheit wurde die Wurst an der Fleischtheke gekauft und in Papier eingeschlagen und in einer Papiertüte konnte man den Einkauf dann mitnehmen. Es wäre interessant zu erfahren, mit welcher Begründung die Theken abgeschafft und die Plastikverpackungen eingeführt wurden. Noch interessanter wäre, was denn für Begründungen angeführt werden, die einem dahin zurück entgegenstehen. Bei all den Kosten die durch den Verpackungsmüll entstehen, können es die Löhne für die Fachverkäufer jedenfalls nicht sein.

    • @27741 (Profil gelöscht):

      Doch, genau die Löhne für die Fachverkäufer sind es. In der Fleischindustrie gibt es zum Himmel schreiende Arbeitsbedingungen und die machen es möglich, dass die abgepackte Ware viel preiswerter als die frische Wurst an der Theke ist.

  • Also angesichts des ewigen Stillstands seit Jahren in diesem Bereich, sollte man jetzt lieber erstmal den Spatz in der Hand akzeptieren als weiter auf die schöne Taube auf dem Dach zu starren. Schon die Umsetzung der schwächeren Anforderungen wird 10-15 Jahre dauern, danach kann man immer noch draufsatteln.