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Splitterpartei verliert Fraktionschef

Austritt Die Piraten verlieren in Berlin eine ihrer letzten Galionsfiguren: Martin Delius hat genug

Martin Delius ist raus Foto: dpa

BERLIN taz | Er hat es nicht geschafft. Eigentlich hatte sich Martin Delius vorgenommen, zumindest bis zum Sommer durchzuhalten. Solange er als Fraktionschef für die Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, wollte er seine Parteimitgliedschaft behalten. Rund neun Monate bevor sein Mandat endet, hat Delius die Piratenpartei nun aber verlassen.

Am Montagnachmittag twitterte er ein Bild seines zerschnittenen Mitgliedsausweises. „Ich habe keine Lust mehr, mich für das Gebaren von Piraten zu rechtfertigen. Das ist nicht mehr zum Aushalten“, schrieb er dazu. Details nannte er nicht.

Im Abgeordnetenhaus ist der 31-Jährige das profilierteste Mitglied der Piratenfraktion. Er leitet den Untersuchungsausschuss zum Debakel am Berliner Flughafen und erarbeitete sich damit den Ruf eines Aufklärers. Mandat und Posten will er noch bis zum Ende der Legislaturperiode behalten. Dass er bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 nicht mehr für die Piraten kandidiert, hatte er bereits vor Wochen verkündet.

Die Möglichkeit, stattdessen für eine andere Partei anzutreten, schloss er vor seinem Austritt in Interviews aus – dass er irgendwann in eine andere Partei eintreten könnte, allerdings nicht. Zuletzt besuchte er Ende November den Parteitag der Berliner Linken.

Dass Delius mit seiner eigenen Partei haderte, war da schon lange bekannt. Seit dem Überraschungserfolg der Berliner Piraten bei der Wahl im Jahr 2011 sind weite Teile der Partei nach rechts gerückt, Schlagzeilen machte sie in den letzten Jahren höchstens noch durch interne Streitereien. Mehrere Mitglieder der Berliner Fraktion, darunter deren prominentestes Mitglied Christopher Lauer, haben die Partei schon vor Delius verlassen.

Der Fraktionschef selbst beschrieb die Kluft zwischen Fraktion und Partei in einem taz-Interview diplomatisch: Wie viele der Piraten-Abgeordneten überhaupt noch Parteimitglieder sind, sei nicht relevant. Es existierten zwar noch Arbeitsgruppen zwischen Fraktion und Partei, einzelne davon seien jedoch „relevanter als andere“.

Anlass für den Parteiaustritt könnte ein Vorfall vom vergangenen Wochenende sein: Im Hinterzimmer einer Gaststätte in Berlin-Friedrichshain wählte eine Handvoll Piraten am Sonntag ihre Kandidaten für die anstehenden Bezirkswahlen. Aus Gründen, die sich außerhalb der Partei niemandem erschließen, passte die Wahlliste dem Abgeordneten Gerwald Claus-Brunner nicht. Der Pirat twitterte über die „Vollhonks und Sackgesichter“ aus Friedrichshain. Der Landesverband distanzierte sich anschließend über den gleichen Kanal und die Piratenpartei schaffte es mit der Posse mal wieder in die Berliner Boulevardpresse. Tobias Schulze

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