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SPORT Gemeinsam mit Sehenden spielen Blinde Fußball auf Zuruf. Fotograf Fredrik Barkenhammar hat einige von ihnen porträtiert – darunter Berliner Sportler vom FC Viktoria

Kofi Osei, 35 Jahre alt, stammt aus Ghana. Er strebte dort eine Karriere als Profifußballer an, bevor er durch eine Krankheit 90 Prozent seiner Sehkraft verlor. Er spielt beim FC Viktoria in Berlin Fotos: Fredrik Barkenhammar

von Fredrik Barkenhammar

„Mich haben die Gesichter der Spieler mehr als die Teams interessiert“, sagt Fredrik Bar­ken­­hammar über seine Fotos. „Bei blinden Sportlern sind die Augen oder manchmal das gesamte Gesicht ganz anders als bei sehenden Menschen. Dies wird bei meinen Bildern weder verheimlicht noch verschönert. Der Betrachter darf das Gesicht und die Augen von blinden Menschen neugierig betrachten.“ Das Blindenfußballprojekt ist noch nicht abgeschlossen. Beim FC Victoria beginnend, hat Barkenhammar seine Bildersuche auf andere Mannschaften in ganz Deutschland ausgeweitet.

Lichterfelde, im Herbst. Ein blinder Mann, Mitte zwanzig, tastet suchend den Boden ab und legt dann einen Fußball auf den 8-Meter-Punkt. Er lässt die linke Hand am Ball, um ihn nicht zu verlieren. Vor ihm das Tor. Darin steht ein athletischer junger Torwart, voll konzentriert; er kann sehen. Ein dritter Spieler am Rande des Tors – ebenfalls ein Sehender – schlägt einen Schlüssel gegen den rechten Metallpfosten. „Rechts!“, ruft er. Er geht zur anderen Seite, erneut schlägt Metall auf Metall. „Links!“ Dann positioniert sich der Rufer hinter dem Netz, den Torwart direkt vor sich: „Mitte! Hier! Hier!“

Der blinde Mann lässt den Ball los, richtet sich etwas unbeholfen auf, schießt schnell aus dem Stand mit erstaunlicher Kraft den Ball ins Tor. Wie eine Kanonenkugel fliegt der Ball links am chancenlosen Torwart vorbei. Der Mann mit dem Schlüssel jubelt. „Tor! Jawohl!“

Moritz Klotz, 34 Jahre alt, kann perfekt sehen. Er steht seit 1998 im Tor der Blindenfußballmannschaft des FC Viktoria in Berlin

Die Erste-Herren-Mannschaft des FC Viktoria 1889 Berlin war siebenmal Berliner Pokalsieger, zuletzt 2014. In einer Ecke hinter dem Vereinsstadion Lichterfelde trainiert auch die erste und einzige blinde Fußballmannschaft der Stadt, eine Sektion des FC Viktoria. Die Spieler treffen sich jede Woche zum Training. Oft abends im Dunkeln – ihnen macht es nichts aus, dass der Platz nicht beleuchtet ist.

Fredrik Barkenhammar

wurde 1971 in Malmö, Schweden geboren. Er ist schreibender Journalist, kann aber seine Kamera oft nicht in Ruhe lassen. Er lebt und arbeitet seit 1998 in Berlin. Sein Spezialgebiet sind soziale und entwicklungspolitische Themen.

Blindenfußball ist der Wahlsport vieler Blinder: Die Bundesliga hat neun Mannschaften in ganz Deutschland mit bis zu fünfzehn Mitgliedern pro Team. Gespielt wird mit vier Spielern und einem Torwart. Der Torwart kann sehen. Jede Mannschaft hat zudem einen laut rufenden, ebenfalls sehenden Helfer am Rande des Spielfelds.

Taime Kuttig, Jahrgang 1992, spielt beim SF Blau-Gelb Marburg. Er ist von Geburt an stark sehbehindert. Die Sehstärke nimmt von Jahr zu Jahr zudem ab, Kuttig kann heute nur Umrisse und Lichter erkennen

Blindenfußball ist eine der wenigen Sportarten, die Blinde und Sehende gemeinsam ausüben. Für den FC Viktoria ist es trotzdem nicht immer einfach, Nachwuchsspieler dafür zu finden. Mindestens fünf Spieler müssen für ein Turnier antreten. Wenn sie nicht zusammenkommen, teilen sich die Spieler auf andere Mannschaften auf.