Wille Er verkauft seine Firma und gründet eine Stiftung. Roderich Gräff versucht, die Welt zu verbessern. Vergeblich. Seine Nichte fragt: Ist er zu stark oder sind wir zu träge? Eine Spurensuche: Der gute Onkel
von Friederike Gräff
Auf unserem letzten Familientreffen stand mein Onkel, Roderich Gräff, nach dem Mittagessen auf und sagte: Kürzlich habe ein Politiker im Radio erklärt, dass man die syrischen Fabriken bombardieren solle, die die schlechten Schlauchboote herstellen, in denen sich die Flüchtlinge auf den Weg übers Mittelmeer machen.
„Ein deutscher Politiker will Bomben werfen lassen!“, sagte mein Onkel. „Empört euch das nicht?“
Niemand war empört. Vielleicht, weil wir lethargisch sind. Vielleicht aber auch, weil mein Onkel auf jeder Familienfeier ein Gespräch über eine andere, eine bessere Welt beginnt. Eine Welt ohne Gewalt, ohne Armeen.
Das letzte Mal hatte er behauptet, er habe gerade im Radio gehört, dass Atomraketen gezündet worden seien. Wir stutzten. Stimmte das? Diesmal war unser Echo geringer. Eine Nichte meinte sogar, dass es Roderich ohnehin nicht interessiere, was wir dächten; in seinen Augen seien wir unpolitisch und träge. Schließlich stand eine seiner Großnichten, elf Jahre alt, auf und sagte: „Es ist doch Familientag, warum lässt du uns nicht einfach feiern?“
Roderich blieb am Tisch stehen. Sagte nichts.
Das hat Roderich nicht verdient, dachte ich, trotz allem nicht. Eigentlich hätte er wenigstens unsere Anerkennung verdient für sein Engagement. Aber warum ist sie verschwunden?
Seine Stiftung „Gewaltfreies Leben“ hat Roderich Gräff 1989 gegründet, seitdem sind Taufen und Beerdigungen in der Familie eine Plattform, um seine Ideen zu verbreiten. Roderich lässt nicht locker, aber aus dem, was einmal Diskutierfreude bei seiner Großfamilie war, ist Gleichgültigkeit geworden. Und Gleichgültigkeit ist auch das, was er bei den anderen findet: in der deutschen Öffentlichkeit.
Eine Rose kann nie blau sein. Das gefällt Roderich
Nach dem Eklat beim Familientag fragte ich mich, warum mein Onkel so wenig Echo hervorruft. Gibt es Erfolgskriterien auch bei Weltveränderungsprojekten? Auf die man den Finger legen und sagen kann: zu wenige Kontakte, zu wenig Geld, zu wenig Teamplaying? Ich fragte Roderich, ob er einverstanden sei, wenn ich diesen Fragen in einem Text über sein Engagement nachginge, vielleicht würde er kritisch ausfallen. „Fein“, sagte er. „Ich bin gespannt, was du herausfindest“.
Roderich ist 88 Jahre alt, ein schmaler, sehniger Mann mit schönem Kopf und einem Charme, der Distanz wahrt. Nach dem letzten Familientag habe ich ihn das erste Mal zweifelnd erlebt. Ich traf ihn vor der Tür, nachdem der Rest der Familie erleichtert den Saal verlassen hatte.
„Vielleicht mache auch ich etwas falsch“, sagte er. Er ist eigentlich kein Zweifler. Er ist Ingenieur und gründete als junger Mann eine Firma namens Somos, die Geräte zur Kunststoffverarbeitung herstellte. 1993 verkaufte er sein Lebenswerk, gründete vom Erlös die Stiftung „Gewaltfreies Leben“ und kaufte ihr ein Haus im Schwarzwald. Mein Onkel neigt nicht zur Sentimentalität, und ästhetische Erwägungen sind ihm fremd, aber als Logo wählte er eine blaue Rose, die seine Mutter einmal gemalt hat. Ich vermute, dass ihm die Unmöglichkeit des Blaus gefallen hat. Herausforderungen mag er, und wo keine sind, sucht er sie.
Immer wieder hat Roderich Leute eingeladen, um darüber nachzudenken, wie ein besseres Zusammenleben der Menschen möglich wäre. Er hat alle gefragt, die seinen Weg kreuzten: seine Schwestern, alte Schulfreunde, die Mitarbeiter seiner Firma, Handwerker, die im Haus etwas zu reparieren hatten, selbst die Spaziergänger, die er im Wald rund um Burgberg traf, dem winzigen Schwarzwalddorf, in dem er lebt. Und er erfand ein Wort dafür, wie man besser leben könnte: mit „Kreisfähigkeit“. Für ihn bedeutet „kreisfähiges Leben“, nur Dinge zu tun, die innerhalb einer Generation reversibel sind: Einen Baum darf man fällen, weil er in dieser Spanne nachwächst. Ein Atomkraftwerk zu betreiben ist nicht kreisfähig, weil die Abbauprodukte über Generationen weiter strahlen. Inzwischen spricht Roderich seltener davon, nicht weil er nicht mehr daran glaubte, sondern weil, wie er sagt, „die Leute nichts damit anfangen können“.
Dabei hat er alles versucht. Aber was hat gefehlt?
Die Stiftung hat Fragebögen verteilt, um zu erfahren, ob eine Mehrheit für ein Schulfach Frieden zu gewinnen wäre. Sie hat Rundbriefe verschickt und zu Diskussionsabenden eingeladen. In ihrem E-Mail-Verteiler finden sich tausend Adressen, doch die wenigsten reagieren. Es gibt einen Unterverteiler, in dem rund hundert Gutbetuchte sind, Ärzte und Anwälte, aber als Roderich sie anschrieb und um Spenden bat, kam kein einziger Cent.
Finanziell gesehen waren die Jahre bis 2003 die fetten: Die Stiftung hatte ein Ausgangskapital von zwei Millionen Mark, das Geld aus dem Verkauf seiner Firma; sie hat Stipendiaten und prominente Aktivisten in ihr Haus eingeladen, etwa den Benediktiner-Mönch David Steindl-Rast aus den USA oder die deutsch-iraelische Menschenrechtsaktivistin Felicia Langer. Ich erinnere mich, wie bei einem Stiftungstreffen Felicia Langer und ein Cousin meines Onkels, ein bekennender Altnazi, aufeinandertrafen, wie es zum Streit kam und wie Roderich es schaffte, Felicia Langer dennoch zum Bleiben zu bewegen.
Man hat das Gefühl, dass er solche Konflikte schätzt, weil sie dafür sorgen, dass die Bequemlichkeit endet, dass man sich anstrengen und Neuland betreten muss. Als ein Rechtsradikaler und, wie sich später herausstellte, NPD-Mitglied auf der Internetseite der Stiftung die Nachrichten „Wir hauen unseren Gegnern die Fresse ein“ und „Mach deine Müllseite zu“ hinterließ, begann Roderich einen Briefwechsel mit ihm, gegen den Rat des Stiftungsvorstands. „Über deine E-Mail habe ich mich sehr gefreut“, schrieb er. „Ich möchte dich kennenlernen. Menschen, die offen ihre Meinung aussprechen, gefallen mir. Menschen, die anderen die Fresse einhauen, sollten in ein Krankenhaus“.
Der Hooligan antwortete, er schrieb in Roderichs lange E‑Mails kurze Kommentare hinein, schickte ihm Texte aus dem National-Journal zum Thema Rasse und Ausländer. Sie schrieben einander achtmal. Roderich erzählte dem Hooligan aus seinem Leben: dass bereits seine Eltern in Japan und damit im Ausland gelebt hätten. Dass er gerade von einer Taufe zurückgekehrt sei. Der Täuflingsvater sei Österreicher, schrieb Roderich, ob das für den Hooligan auch ein Ausländer sei. Der Briefwechsel ist dann verläppert.
„Ich dachte immer, er würde eines Tages vor der Tür in Burgberg stehen“, sagt Roderich, und es klingt bedauernd, aber der Hooligan ist nie gekommen.
Im Sommer hat Roderich eine Petition auf change.org geschrieben: „Wir fordern die Bundesregierung Deutschland auf, allen Griechen, die heute Schwierigkeiten haben, ihre Arzneien zu besorgen, diese ihnen für ein Jahr kostenlos zur Verfügung zu stellen.“
„38 Leute haben unterschrieben, zwei Drittel davon kannten wir bereits“, sagt er mir am Telefon, und es klingt bitter.
Unsere Familie hätte seiner Petition weit mehr als 50 Unterschriften geben können. Aber nicht einmal wir haben uns dazu bewegt. Warum nicht?
„Das ist eine schöne Idee, aber an wen richtet sie sich?“, fragt Simon Teune vom Berliner Institut für Protest- und Bewegungsforschung. Als seine Eltern gegen die Aufrüstung aufbegehrten, schrieben sie noch einen Brief an den Bundeskanzler. „Im Vertrauen, dass man gehört wird“, sagt Teune. „Heute sind die Konfliktsituationen deutlich komplizierter.“ Hinzu kommt etwas, was auch eine Stiftung mit mehr Kapazitäten als die meines Onkels kaum steuern kann: je konkreter die Bedrohung, sagt Teune, der kein Zyniker ist, desto besser für die Bewegung. Was Tschernobyl und Fukushima für die Anti-Atom-Kampagne waren, war in den 80ern der Nato-Doppelbeschluss für die Friedensaktivisten: ein Katalysator.
Worauf eine Stiftung für Gewaltfreiheit setzen kann? „Auf Angstthemen“, sagt Teune, „die funktionieren in Deutschland gut.“
Es ist schwierig zu sagen, wer das „wir“ in der Stiftung ist, wenn Roderich sagt: „Wir haben eine Petition eingereicht“ oder „Wir haben versucht, Kontakt mit Attac aufzunehmen, aber die haben nicht mal geantwortet“. „Na ja“, sagt er, wenn man ihn fragt, und dann, nach einer kleinen Pause: „Es gibt den Vorstand. Aber eigentlich habe ich alles mit Gisela Hoffmann besprochen.“
Lange Zeit war da, wo die Stiftung war, auch Gisela Hoffmann, eine freundlich-eigenwillige Frau mit einer eigentümlichen Mischung aus Distanz und Loyalität. Es scheint ein schlechtes Zeichen für den Zustand der Stiftung zu sein, dass sie nicht mehr da ist. Sie war zwölf Jahre EDV-Organisatorin bei Somos, in der Stiftung dann fünf Jahre Mitglied des Vorstands und, als sie sich dazu nicht mehr aufstellen lassen wollte, angestellte Mitarbeitern.
Gisela Hoffmann ging schon bei Somos zu den Mitarbeitern, um Werbung für Roderichs „Absichtserklärung“ zu machen. Das war ein Papier, mit dem die Somos-Leute die Hoffnung ausdrückten, dass die Produkte der Firma nicht für militärische Zwecke genutzt würden. Später hat Hoffmann die Erklärung tatsächlich in Japan in der Firma eines Lizenznehmers wiedergesehen, erzählt sie mit einem Hauch Ironie, der nicht verbirgt, dass es sie beeindruckt hat. „Das Papier ist eines von Roderichs Heiligtümern“, sagt sie.
Und dann ganz ohne Ironie: „Mir kommt dieser Roderich Gräff vor wie das Salz der Erde. Und die, die sich abwenden, haben sehr viel von ihm abbekommen“. Gut ginge es, wenn die Leute nur Prisen abbekämen, die Spaziergänger, die er im Wald anspricht etwa. Bei ihnen habe er etwas bewirkt, „mikroskopisch“, sagt Gisela Hoffmann. Aber Roderich genüge das nicht. „Ein spektakuläres Ergebnis gibt es nicht“, sagt sie, „darüber ist er sehr traurig.“
Gisela Hoffmann bleibt, bis die Stiftung 2009 kein Geld mehr hat. Roderich hatte einen Teil an eine befreundete Firma verliehen, einen anderen an der Börse verloren. Er hatte spekuliert, eigentlich zum Wohle der Stiftung. Es war ja eigentlich auch sein Geld, ursprünglich zumindest, aber nach den Vorschriften seiner eigenen Stiftung war das falsch.
Ich glaube, dass viele Menschen in der Theorie mildere Maßstäbe an Roderichs Lebenserfolg ansetzen würden als er selbst. Wie Gisela Hoffmann würden sie auf die kleinen, die unspektakulären Veränderungen hinweisen. Aber wenn man sie konkret nach der Stiftung fragte, würden sie sagen: „Da ist nichts draus geworden.“ Sie würden Roderichs eigene Messlatte ansetzen und die große Weltveränderung einfordern, die ausgeblieben ist.
Das Selbstbewusstsein ist groß und der Zweifel klein
Das ist wohl der Preis des „Play it big“. Das Urteil ist gerecht und ungerecht zugleich: Es ist Strafe für Hochmut, und zugleich lässt es außer Acht, dass bereits die Absicht ehrenwert ist und das Ergebnis beunruhigend zufällig.
Seit sie nicht mehr für die Stiftung arbeitet, hat Hoffmann keine neue Stelle angetreten: „Ich habe einen anderen Job weder gewollt noch gefunden“, sagt sie. Ihr Geld ist nun knapper geworden, auch für die Fahrten in den Schwarzwald. Nach Burgberg. Neulich war sie trotzdem da. Sie besuchte einen Diskussionsabend der Stiftung. Es sollte um Hilfe für die Flüchtlinge gehen. Doch außer ihr ist niemand gekommen. Gisela Hoffmann hat das nicht überrascht. „Es kommt nichts Neues mehr dazu“, sagt sie.
Nichts Neues, weil Roderich Gräff die Stiftung ist. „Außer dieser gewaltigen Persönlichkeit existiert dort nichts“, sagt sie. Weil Roderich es letzten Endes nicht zuließe.
Gisela Hoffmann macht das an so simplen Dingen wie einer Übersetzung fest. Damals, als es um das kreisfähige Handeln ging, hatten sich einige Leute versammelt, um das Konzept zu besprechen. „Sustainable“ war der Ausgangsbegriff. Roderich, der mit einer Amerikanerin verheiratet war, lebte damals teils in den USA. „Kreisbar“ war sein Übersetzungsvorschlag gewesen. Niemand in der Runde mochte den Begriff, so erinnert sich Gisela Hoffmann. Man einigte sich dann auf „kreisfähig“, aber glücklich war außer Roderich damit keiner. „Nachhaltig“, haben einige vorgeschlagen. Heute ist es das Zauberwort, aber das gefiel Roderich damals nicht.
„Das ist deine Wahrheit“, sagt Roderich häufig in Gesprächen. Eine Wahrheit ist vermutlich, dass Menschen, die sich nicht mit dem Gegebenen abfinden, eigensinnig sein müssen, dass ihr Selbstbewusstsein groß und ihr Zweifel klein sein muss. Schwierig zu sagen, ob Martin Luther King ein Teamplayer war und wer weiß schon, wie viel Gandhis namenlose MitstreiterInnen zu bestimmen hatten.
Vielleicht ist das Einzelkämpfertum meines Onkels eine Altlast der NS-Zeit, aus der er, der einmal begeisterter Jungvolkführer war, die Lehre gezogen hat, sich nur auf sich selbst zu verlassen. Es ist, als röchen das die anderen, auch wenn die Stiftung immer wieder Kontakt zu anderen Friedensaktivisten aufgenommen hat. Etwa zu Hans Küng, dem Tübinger Theologen, mit seiner Stiftung für ein allgemeines Weltethos. Doch in der Küng-Stiftung, selbst eine solche Ein-Personen-Angelegenheit, habe man schnell gemerkt, dass Roderich nicht wirklich an einem Austausch interessiert gewesen sei, sagt Gisela Hoffmann. Jedenfalls ist es nie zu einer Zusammenarbeit gekommen.
Dabei gab es Leute, mit denen zusammen mein Onkel etwas hätte bewegen können. Eine hieß Ewa Küngler. Sie war Anfang 60, eine der Jüngsten. Es ist schwierig, sie ans Telefon zu bekommen, sie zieht gerade um und hat eigentlich keine Zeit, aber als es schließlich doch klappt, wird sie ziemlich ausführlich.
Bei den ersten Treffen, sagt sie, sei sie begeistert gewesen: lauter kluge und, das betont sie, humorvolle Leute. Damals war sie schon lange beim Buntspecht engagiert, einer offenen grünen Liste im Nachbarort von Burgberg, die Radwege forderte, als das noch exotisch war. Küngler schätzte die Diskussionen in Burgberg. Es war spannend, wenn dort ein Araber, ein Israeli und ein ehemaliger Bundeswehrgeneral aufeinandertrafen. Aber irgendwann vermisste sie praktische Konsequenzen. Reden, nichts tun. „Da hätte man etwas umsetzen müssen“, sagt sie. Irgendwann kam sie nicht mehr.
„Ich bewirke nichts. Und er auch nicht mehr. Punkt“, sagt Gisela Hoffmann. „Ich bin etwas bitter geworden über diese Arbeit“, meint sie noch, und das ist sicher wahr. Trotzdem war sie doch wieder dabei, bei Roderichs letzter Volte, als er den Verein Friedensvorsorge gründete. Der soll sich dafür einsetzen, die Bundeswehr in eine Friedenswehr umzuwandeln. Die wäre eine radikale Form der UNO, unbewaffnet, organisiert von Menschen, die laut Satzung „jegliches direkte und indirekte Töten von Menschen ablehnen“.
Der Etat, den man durch den Verzicht auf Waffen einspart, soll man armen Ländern geben, damit sie nicht selbst zu Waffen greifen. Das ist die Idee. Für die Vereinsgründung braucht Roderich kein Geld und keinen Segen der Verwaltung, die ihn in seinen Augen ohnehin nur bremst, weil sie sich um Vorschriften und nicht um Inhalte kümmere.
Immer wieder erfährt Roderich die Bremskraft von Vorschriften. Vor einer Weile ist er zur Polizeiwache in den Nachbarort gefahren. „Könnten Sie auch ohne Waffe zu mir kommen, wenn ich Polizeihilfe anforderte?“, fragte er den wachhabenden Polizisten. Der Polizist fand die Idee gut, er hatte seine Dienstwaffe in 30 Jahren nur einmal gezogen, sie sprachen eine halbe Stunde über die Idee. Aber am Ende sagte der Polizist, dass es die Vorschriften leider verböten, die Waffe sei Teil der Ausrüstung, und wenn Roderich daran etwas ändern wolle, müsse er sich an die übergeordnete Stelle wenden.
Das ist das wiederkehrende Gefühl: Es bleibt nichts Greifbares zurück. Glaubt man dem Protestforscher Dieter Rucht, ist das auch nicht notwendigerweise ein Kriterium für den Erfolg sozialer Bewegungen. „Ihre Stärke liegt darin, dass sie das Undenkbare denken können“, schreibt er im Aufsatz „Engagement in sozialen Bewegungen“. „Es geht nicht mehr um das Ganze“, schreibt Rucht, und das offenkundig kritisch, die meisten Bewegungen versuchten nur noch, Reformen im bestehenden Gefüge zu erreichen. Und er verweist darauf, dass viele erst „nachträglich geehrt, zumindest in ihr Recht gesetzt worden sind“. Das hofft er. Sicher ist das nicht.
Vielleicht gehöre ich auch zu den Zeitgenossen, die den Veränderern und Infragestellern ihr Recht verweigern, und eines Tages, wenn eine zukünftige Generation Roderichs Bemühungen ehrt, wird sie sich fragen, wie man so verbohrt sein konnte. Zum Glück leben wir in anderen Zeiten, wird sie dann sagen. Vielleicht.
Friederike Gräffist Redakteurin der taz.nord in Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen