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Plötzlich wurde es frostig

TÜRKEI Urlaub in Trabzon: Ein verweigerter Händedruck für einen AKP-Politiker ließ eine Einladung zum Tee während des Wahlkampfs hässlich enden

von Andreas Becker

Der Regen hatte endlich aufgehört. Deshalb sprangen wir in Trabzon in einen Dolmuş-Kleinbus, außerhalb der Stadt müsste es doch möglich sein, an einer kitschigen Strandpromenade am Schwarzen Meer spazieren zu gehen. Hinter einem halb fertigen Fußballstadion empfing uns ein Sprühnebel aus verdünnten Fäkalien. Aber es gab jede Menge freie Bänke mit Meerblick.

In der übersichtlichen Innenstadt des kleinen Örtchens, hatte ich nach kurzer Zeit das Gefühl, auf der anderen Straßenseite immer wieder den gleichen Mann zu entdecken. Touristen waren hier in Çarşıbaşı halt eine echte Rarität. Es war Wahlkampfzeit, überall flatterten die gelb-blauen Wimpel mit dem Glühbirnen-Logo der AKP zwischen den Laternen. Ganz vereinzelt auch mal ein CHP-Fähnchen.

Am Rande eines kleinen Marktes mit Billigklamotten, Gemüse und den hier in der Gegend angebauten Haselnüssen, sprachen uns zwei Rentner an. „Deutsch?“ Wir wurden zum Tee eingeladen, schnell hatten wir vier ältere Herren am Tisch, die von Duisburg und Mannheim schwärmten.

Rund zwei Wochen vor den von Erdoğan initiierten Neuwahlen interessierte uns die politische Lage in der Gegend. Kaum war die AKP erwähnt worden, kam auch schon, wohl zufällig, ein Wahlkämpfer der Partei mit kleinem Tross vorbei. Ein vielleicht 15-Jähriger legte ein Flugblatt neben meine Teetasse. Als ich die stilisierte Partei-Glühbirne am Revers des Politikers sah, verweigerte mein Arm trotzig den Händedruck. Die Rentner schauten verunsichert. Als ich dann auch noch sagte, mir sei die HDP irgendwie sympathischer als die AKP, wurde es frostig. Ich murmelte etwas von „Democracy“.

Ein Herr verschwand, sein Sitznachbar machte das Teufelszeichen der Grauen Wölfe. Der Exduisburger zahlte trotzdem noch unsren Tee. Wir gingen dann mal lieber.

Gerade als wir an einem Marktstand ein Plastiktütchen mit 500 Gramm Rosinen gekauft hatten, standen plötzlich drei Typen neben uns. „HDP?“ Ängstlich sagte ich: No. Als wollte ich etwas nicht kaufen.

Das Geschäft war aber nicht rückgängig zu machen. Ein vielleicht 20-Jähriger folgte uns in eine schlecht einsehbare Gasse zur Hauptstraße, wo wir den Bus nehmen wollten. „HDP?“ Bevor ich abwiegeln konnte, schlug er mir schon, in einer unheimlich schnellen Bewegung, mit dem Ellenbogen auf die Brille. Blut tropfte aus meiner Nase, meine Freundin schrie „nein!“. Kaum war der Schläger verschwunden, tauchte die Polizei auf. Man fuhr uns auf eine kleine Wache, die von einem Polizisten mit MP bewacht wurde.

Im Krankenhaus röntgte ein sehr freundlicher Arzt die Nase – danach folgte mir ein junger Zivilpolizist zum Klo. Nach Hause durften wir nicht. „Protokoll!“

Also zurück zur Wache, wo sich vier neue Zivis, die dauernd mit ihren Handys telefonierten, eingefunden hatten. Man brachte uns Tee. „Was hatten Sie in Çarşıbaşızu tun? Wo wohnen Sie? Was wissen Sie über die HDP?“

Der große Fernseher wurde angestellt. Es lief ein Bericht über ein Attentat in Ankara, den wir nicht wirklich verstanden. Der eine Polizist schrieb etwas auf einen Notizzettel: „Di­yar­ba­kır = HDP. Trabzon = AKP“. Ich sagte nichts, sondern bot den Polizisten Rosinen an. Einer nahm sogar welche, was ich als gutes Zeichen interpretierte. Auf dem Weg zum Klo kam ich an drei vergitterten Zellen vorbei, alle noch leer.

Am Rande eines kleinen Marktes mit den hier angebauten Haselnüssen sprachen uns zwei Rentner an. „Deutsch?“ Wir wurden zum Tee eingeladen, schnell hatten wir vier ältere Herren am Tisch, die von Duisburg und Mannheim schwärmten

„Wir sind Touristen“, sagten wir, einfach nur Touristen. „Sie haben jemand nicht die Hand gegeben?!“ Woher wussten die das?

Wie der Schläger ausgesehen hatte, interessierte hier nicht. Endlich kam ein Übersetzer, der sich als Lehrer und Anwalt vorstellte. Brauchten wir einen Anwalt? Morgens hatte ich gelesen, der Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung Zaman sei wegen eines Tweeds eingesperrt worden: „Präsidentenbeleidigung“. Draußen sprach der Mann, der uns nachmittags gefolgt war, mit einem Typen.

Ich bot wieder Rosinen an, der eine Polizist bekannte sich als Borussia-Dortmund-Fan. Was ist ihr Beruf? Tischler, log ich.

Mehr als drei Stunden nach dem Schlag unterschrieb ich ein Protokoll, von dem ich kein Wort verstand. Ängstlich verließen wir die Wache, unsrem Taxi folgte ein Zivilpolizeiwagen. Der verschwand irgendwann in der Dunkelheit. Am nächsten Morgen wechselten wir die Unterkunft.

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