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„Flexibler sein für die Karriere“

Neue Technik Die Digitalisierung der Arbeitswelt birgt insbesondere für Frauen Chancen, meint die DGB-Vizevorsitzende Elke Hannack – aber auch die Gefahr der Überforderung

Nie wieder Feierabend? So sollte es besser nicht sein Foto: Sabine Bungert/laif

INTERVIEW Dinah Riese

taz: Frau Hannack, wie wird die Digitalisierung die Arbeit verändern?

Elke Hannack: Berufsbilder werden sich verändern, auch im Dienstleistungssektor. Im Einzelhandel etwa wird die Konkurrenz durch Onlineshops größer.

Wie sollte der Enzelhandel darauf reagieren?

Man könnte im Bekleidungsgeschäft den Einsatz von RFID-Chips ausweiten. Bisher wird damit im Laden der Warenbestand für die Inventuren erfasst. Wie oft eine Jeans in Umkleidekabine Nr. 2 und 7 war, bis sie gekauft wurde – diese Informationen könnten genutzt werden, um neue Shop-Konzepte zu erarbeiten. Digitale Kompetenz muss deshalb in die Ausbildung eingebunden und das Berufsbild von VerkäuferInnen weiterentwickelt werden.

Technik- und IT-Berufe gelten nach wie vor als Männerdomänen. Warum sollte sich das gerade mit zunehmender Digitalisierung ändern?

Junge Frauen sind im Schnitt besser geschult als Männer. Im digitalisierten industriellen Bereich werden immer mehr hochqualifizierte Tätigkeiten gefordert sein. Die Grundlagen dafür bringen die Frauen auf jeden Fall mit. Wir müssen sie aber mehr dazu bringen, sich für MINT-Fächer …

Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik …

… zu interessieren. Sonst sind Frauen am Ende die Abgehängten. Das muss schon in der Kita anfangen. Hier müssen Mädchen und Jungen gleichermaßen Spaß an Technik vermittelt bekommen oder Jungen lernen, dass es völlig in Ordnung ist, sich für einen Beruf als Erzieher oder Krankenpfleger zu entscheiden. Aber die Liste der Traumberufe junger Menschen hat sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert. Die Mädchen wollen Friseurin oder Einzelhandelskauffrau werden, die Jungen Mechaniker.

Was kann die Digitalisierung daran ändern?

Bisher gilt in Unternehmen immer noch: Wer verfügbar ist, macht Karriere. Es sind nach wie vor meistens Frauen, die sich um die Kinder kümmern und um vier Uhr nach Hause müssen. Digitalisierung bietet ihnen die Chance, ihre Arbeit flexibler zu gestalten. So können sie auch mit Familie Karriere machen und in Führungspositionen hineinwachsen.

Zu Hause das Kind wickeln, gleichzeitig am Laptop arbeiten und nebenbei telefonieren – ist das denn so erstrebenswert?

Foto: DGB
Elke Hannack

arbeitete neben dem Studium als Packerin und Verkäuferin im Einzelhandel. Seit 2013 ist sie Vizevorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds.

Wenn man es so organisiert, gar nicht. Aber 60 Prozent der jungen Eltern wünschen sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit. Nur 14 Prozent schaffen das in der Praxis. Je mehr Männer sich dafür entscheiden, desto selbstverständlicher wird die Auszeit für Väter – auch in männlich dominierten Betrieben.

Ist die permanente Verfügbarkeit nicht ein Fluch: Nie wieder Feierabend?

Einige Unternehmen haben gute Wege gefunden, damit umzugehen. BMW etwa hat das Recht auf Nichterreichbarkeit in einer Betriebsvereinbarung festgelegt und fährt am Wochenende die Server runter. Da kann niemand mehr Mails ­schreiben. Das ist auch im Sinne der Arbeitgeber, denn ohne Erholungsphasen werden auch die Burn-out-Ausfälle zunehmen.

Muss die Initiative vom Arbeitgeber ausgehen?

Wir wollen eine Anti-Stress-Verordnung und ein Recht auf Nichterreichbarkeit qua Gesetz. Und wir arbeiten mit Parteien und der Wirtschaft an Konzepten zur Umsetzung von Digitalisierungsprozessen. Die Arbeitgeberverbände haben erkannt, dass es ohne die Beschäftigten nicht geht – und somit auch nicht ohne Gewerkschaften.

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