Kommentar Asylpaket der Koalition: Hauptsache schnell abschieben

Die Spitzen der Koalition haben sich auf Maßnahmen geeinigt, die das Asylverfahren beschleunigen sollen. Um Fluchtursachen geht es kaum.

Zwei Männer und eine Frau laufen durch einen Flur. Die Frau hält ein Blatt Papier in der Hand.

Haben sich geeinigt: Sigmar Gabriel, Horst Seehofer und Angela Merkel (v.r.n.l.). Foto: dpa

An die Fluchtursachen hat die Regierung am Donnerstag nicht gedacht. Acht Seiten umfasst das Maßnahmenpapier, auf dass sich die Koalition im Kanzleramt einigte. Um die Frage, warum Menschen ihre Heimat verlassen, geht es aber nur an einer Stelle – und auch dort nur am Rande (um die Lage in Afghanistan zu verbessern, will die Regierung den Einsatz der Bundeswehr verlängern).

Diese Prioritätensetzung ist verständlich: SPD, CDU und CSU wollen die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland senken. So schnell wie möglich. Will die Koalition das schaffen, muss sie auf Abschottung und Abschiebungen setzen. Langfristig kann sie damit aber nicht verhindern, dass Menschen aus Krisen- und Armutsregionen nach Europa drängen.

Beispiel Türkei und Syrien: In ihrem Papier kündigt die Koalition an, auf Erdogan und seine Regierung zuzugehen. Deutschland bietet den Türken Geld, neue Verhandlungen über den EU-Beitritt und Gespräche über Visa-Erleichterungen. Damit liegt die Bundesregierung auf Linie mit der EU-Kommission.

Prinzipiell ist dagegen nichts einzuwenden. Dass Europa die Türkei jahrelang abweisend behandelte, hat dazu beigetragen, dass Erdoğan vom Demokratisierungsprozess, den Friedensgesprächen mit den Kurden und seinem pro-europäischen Kurs abrückte. Ihn und die Türken durch Angebote zu einem neuen Dialog zu bewegen, ist daher richtig.

Geschenke wie die Visa-Freiheit für türkische Bürger kann Europa aber nur einmal vergeben. Die EU sollte also genau darüber nachdenken, welche Gegenleistung die Türkei fordert.

Grenzsicherung Richtung Griechenland

Die EU möchte, dass die Türkei die Grenze Richtung Griechenland besser sichert, also Flüchtlingsboote an der Abfahrt hindert. Die Koalition hat nun in ihr Papier geschrieben, dass die Türkei so rasch wie möglich „der Rückführung von Drittstaatsangehörigen aus der EU“ zustimmen solle. Beide Maßnahmen werden dazu beitragen, dass weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen oder hier bleiben. Wie viele weniger es sein werden, kann niemand vorhersagen. Klar ist aber: Die Maßnahmen sorgen nicht dafür, dass sich aus Syrien überhaupt keine Flüchtlinge mehr auf den Weg nach Europa machen.

Dafür müsste der Krieg in Syrien enden. Auch die Türkei könnte einen Beitrag dazu leisten: indem sie aufhört, die Kurden zu bekämpfen. Deren syrische Miliz ist schließlich eine der wenigen halbwegs vernünftigen Kräfte, die dem IS Paroli bieten.

Visa-Freiheit für die Türkei gegen Waffenstillstand mit den Kurden: Das wäre ein Angebot, mit dem EU und Bundesregierung einen Beitrag zur Entschärfung der Flüchtlingskrise leisten könnten. Dass dieser Plan aufgeht, wäre aber nicht garantiert. Dass er kurzfristig die Lage an den bayerischen Grenzübergängen beruhigt, wäre sogar ausgeschlossen. Und so beschließen die Koalitionsspitzen wenige Wochen nach der ersten Asylrechtsverschärfung ein achtseitiges Maßnahmenpaket zur zweiten Asylrechtsverschärfung, aber kein einziges Papier zur Bekämpfung der Fluchtursachen.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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